BALDUIN MÖLLHAUSEN |
Das war gewiß ein sehr schöner, wohlgemeinter Rath, doch leugne ich nicht, daß es mir etwas mehr Freude gemacht hätte, wenn die Veranlassung zu demselben gar nicht vorhanden gewesen wäre. Ich untersuchte indeß meine Pistolen, und legte das Gewehr vor mir quer auf den Sattel, während der Herzog sich mit einem ganzen Arsenal scharfgeladener Büchsen, Flinten und Pistolen umgab. Nach diesen Vorkehrungen setzten wir unsern Weg fort, waren aber kaum zweihundert Schritte weiter gezogen, als zu Pferde und zu Fuß ein ganzer Trupp der wilden Steppenbewohner auf dem nahen Hügel erschien, und vor uns in die Straße eilte. Es waren Oglala-Indianer, ein Nebenstamm der Dacotahs, und so schöne Krieger, wie man nur auf der andern Seite der Rocky mountains irgend finden kann. Alle waren mehr oder weniger mit den buntfarbigsten Stoffen bekleidet; Gesicht, Brust und Arme hatten sie sich auf eine wahrhaft teuflische Weise bemalt, und ihr Haar an den Schläfen in lange Zöpfe gedreht, während die eigentliche Skalp- oder Wirbel-Locke auf den Rücken herunterfiel. An Waffen fehlte es ihnen auch nicht, denn außer Bogen, Pfeil, Tomahawk und Messer, führten sie auch noch Karabiner und Lanzen. Solcher Art also war die Gesellschaft, die uns entgegenrückte. Als sie sich bis auf fünfzig Schritte genähert hatte, hielten wir still, und legten unsere Gewehre auf die vordersten der ungebetenen Gäste an, wobei der Herzog ihnen zu verstehen gab, daß wir bei der geringsten Bewegung schießen würden. Auf unsere Vorsichtsmaßregeln antworteten die Indianer mit den gewöhnlichen Friedenszeichen, worauf wir ihnen gestatteten zu uns heran zu kommen. Es ist eigenthümlich, wie diese Wilden ein bestimmtes Auftreten, und den Beweis persönlichen Muthes achten, denn nachdem wir uns vollständig in der Gewalt dieser Oglalas befanden, rührten sie unser Eigenthum nicht an, sie fragten wohl nach Whisky, doch nahmen sie nichts, wo sie es hätten ungestraft thun können, und begnügten sich hinsichtlich des Feuerwassers auch sehr bald, als der Herzog einem von ihnen die Essigflasche reichte, und dieser nach einem derben Zuge aus derselben, mit den Zeichen des größten Abscheu's die genossene Flüssigkeit wieder ausspie. Wir warteten nur so lange, bis ein Indianer, der auf des Herzogs Frage nach Fleisch in's Lager geeilt war, mit einem tüchtigen Braten zurückkehrte und den selben in den Wagen warf; der Herzog bot als Gegengeschenk ein Tischmesser, dasselbe wurde aber ausgeschlagen, die Indianer entfernten sich, und wir zogen unserer Straße. Kaum hatten wir uns von einander getrennt, als ich inne wurde, daß ein Oglala dicht hinter mir ritt, ich lenkte zur Seite, doch folgte er allen meinen Bewegungen in einer so auffallenden Weise, daß ich mich mit fragender Miene zu ihm wendete. Es war ein großer, schöngewachsener Mann, der sein starkes, muthiges Pferd mittelst einer einfachen Lederleine so leicht regierte, und dabei so fest in dem hohen indianischen Sattel saß, als wenn Roß und Reiter aus einem einzigen Stück bestanden hätte. Die Züge seines Gesichtes waren unter der dicken Lage rother und gelber Farbe kaum zu erkennen, und unter der vorstehenden Stirn blitzten ein paar Augen so schrecklich wild und ernst, daß ich dieselben nie wieder habe vergessen können. Er war bekleidet mit einem Jagdhemde von hellblauem Baumwollenzeug und langen, hirschledernen Gamaschen, die ebenso wie seine Mokasins dicht mit Perlenstickerei, feinen Riemen und schöngeordneten Skalplocken seiner erschlagenen Feinde geschmückt waren. Um den Hals trug er, außer weißen und blauen Perlenschnüren, einen Kragen von Bärenkrallen, die mittelst Streifen von weichem Otterfell dicht an einander gefügt waren, und eine Anzahl großer messingener Ringe beschwerten die durchstochenen Ohren. Solcher Gestalt war also das Aeußere des wilden Dacotah, der mich alsbald aufforderte, ihm für seinen Lasso meinen Zaum zu geben; er gab mir zu verstehen, daß er im Begriff sei, die Pawnee-Indianer zu bekämpfen, und daß er zu diesem Zwecke eines bessern Lenkmittels für sein Pferd bedürfe. Ich machte natürlich ein verneinendes Zeichen, worauf er sich wieder hinter mich verfügte und mir überall hin nachfolgte. Ich muß gestehen, daß mir der Mensch, mehr aber noch seine Bewegungen recht unbequem wurden, so daß ich des Herzogs Aufmerksamkeit darauf hinlenkte. "Reiten Sie nur vor mir," rief mir der Herzog zu, "damit ich, wenn er seine Waffe gegen Sie aufhebt, ihn vom Pferde schießen kann." Der Trost war wiederum sehr kaltblütig gegeben worden, doch unterlag es keinem Zweifel, daß ein solcher Schritt unser Beider Ende herbeiführen mußte; ich nahm indessen die gewünschte Stellung ein, und brachte also den Indianer zwischen des Herzogs Büchse und mich. Nicht weit waren wir in dieser Ordnung fortgezogen, als der Wilde plötzlich an meine Seite sprengte, seine unbewaffnete Hand hinter mir ausstreckte und, ehe ich seine Absicht errathen konnte, mir mein langes Bowiemesser, welches ich auf dem Rücken im Gürtel trug, aus der Scheide riß. Trotzdem ich augenblicklich mein Pferd herumriß, hätte er mich ganz bequem niederstoßen können, doch lag das nicht in seiner Absicht; das Messer allein schien seine Raublust rege gemacht zu haben, denn nachdem er dasselbe in seinen Besitz gebracht hatte, eilte er zurück nach seinem Lager. "Ihr schönes Messer!" rief der Herzog aus, "womit sollen wir jetzt unsere Büffel zerlegen? Reiten Sie doch dem Menschen nach, und lassen Sie sich dasselbe wiedergeben." "Wenn er mir es aber nicht wiedergeben will?" fragte ich zurück, "Nun, dann nehmen Sie es ihm ab!" lautete die Antwort. "Wenn ich aber skalpirt werde?" "Dann räche ich Sie!" "Wenn Sie dann auch skalpirt werden?" - Das ist Alles sehr schön, dachte ich, doch schien mir mein Skalp, so wild und verworren er auch aussehen mochte, etwas mehr als das Messer werth zu sein, und gern würde ich letzteres vergessen haben, wenn ich nur meine Kopfhaut sicher gewußt hätte. Freilich war es sehr schmeichelhaft für mich, daß der Herzog mir so viel Muth zutraute, doch wünschte ich damals von ganzem Herzen, daß er selbst etwas weniger desselben besessen hätte, und wir ruhig unserer Straße gezogen wären. Ich hielt mich indessen nicht lange mit philosophischen Betrachtungen auf, sondern reichte dem Herzog mein Gewehr in den Wagen, und ritt mithin unbewaffnet über den nächsten Hügel auf das Lager der Oglalas zu. So interessant sich die wilde Bande in ihrem kriegerischen Schmucke auch ausnahm, es war nämlich die erste indianische Kriegsabtheilung, die ich sah, so fehlten doch auch nicht einzelne Sachen, die mir sehr mißfielen, z. B. ein geschlachtetes Pferd, an welchem einzelne Krieger wie wilde Thiere herumschnitten und zerrten, besonders aber der Umstand, daß bei meiner Annäherung Fünf oder Sechs derselben aufsprangen und ihre Karabiner auf mich anlegten. Ich machte, so gut es gehen wollte, meine Friedenszeichen, die Indianer nahmen ihre Gewehre zurück, und ich ritt nun in den Kreis. ![]() Noch mehreren der nahestehenden Indianer reichte ich zum Abschied die Hand, doch als ich mich dem näherte, welcher mir das Messer zurückgegeben hatte, und der auf sein Gewehr gelehnt, mit finstern Blicken dastand, würdigte mich derselbe keiner Antwort, und wendete mir als besonderes Zeichen seines Aergers den Rücken zu. Nur wenig berührt von dieser Unhöflichkeit verließ ich langsam das Lager, doch behielt ich den letztgenannten Indianer fortwährend im Auge. Dreißig Schritte mochte ich wohl schon geritten sein, als der erbitterte Wilde plötzlich sein Gewehr hob, den Hahn spannte, und auf mich anlegte; ich wollte ihm schon winken, von dem schlechten Spaß abzulassen, denn für Scherz hielt ich seine feindliche Bewegung, als ein Rauchwölkchen und ein Blitz sich vor der Mündung seines Gewehrs zeigten, und in demselben Augenblick mir durch eine Kugel die Mütze vom Kopfe gerissen wurde. Vorbei ist vorbei, ob nun weit oder nahe vorbei, so dachte ich, als ich meinen Schimmel anhielt, eine Bewegung, die das gute Thier am besten verstand, meine Mütze aufhob, mich wieder in den Sattel schwang, und die Indianer zum letzten Mal grüßend von dannen ritt. Als ich bei dem Herzog anlangte, fand ich denselben mit der Büchse in der Hand neben dem Wagen stehen; der Schuß hatte ihn um mich besorgt gemacht, und dies um so mehr, als die für mich bestimmte Kugel auch über ihn hingesaust war. Meine Geschichte war bald erzählt, doch anstatt nun ohne weitern Zeitverlust unsern Weg fortzusetzen, beschloß der Herzog, ebenfalls den Indianern einen Besuch zu machen, um sich zu erkundigen, was eigentlich Veranlassung zu dem Schuß gegeben habe. Trotz meiner Bitten und Vorstellungen beharrte er auf seinem Willen; er hing die Büchse über die Schulter und schritt davon, während ich bei den Pferden zurückblieb. Lange harrte ich, und fast war meine Geduld schon erschöpft, als der Herzog endlich wieder wohlbehalten auf dem Hügel erschien, und noch ein mächtiges Stück Pferdefleisch mit sich schleppte. Er war von den Indianern ganz höflich aufgenommen worden, und dieselben hatten vorgegeben, daß der Schuß nur eine Art Ehrenbezeigung habe sein sollen, eine Erklärung, über die wir Beide recht herzlich lachten. ...
Sie verloren weitere Zugtiere durch Kälte und Erschöpfung, gerieten in einen Schneesturm und kamen kaum mehr voran.
Am 19. November erreichten sie dann den Sandy Hill Creek, ihre vorläufige Endstation. Das letzte Pferd starb, und sie saßen in einem kleinen Lederzelt in der Schneewüste fest. ![]() Den Aufenthalt am Sandy hill creek nenne ich die schrecklichste Zeit meines Lebens ...
Nach 6 Tagen kam von Fort Laramie eine Postkutsche vorüber. Dem Herzog gelang es, sich für 100 Dollar einen Platz zu verschaffen. Seinen Gefährten ließ er (mit dem Versprechen, Hilfe zu schicken) schmählich im Stich.
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Die Reisen von Herzog Paul |
Hier scheint ein Hinweis darauf angebracht, daß durch die großen wissenschaftlichen Verdienste des bedeutenden Forschungsreisenden Herzog Paul Wilhelm von Württemberg der Blick auf die charakterlichen Defizite des Herzogs leicht verstellt wird. Wie er ungerührt Möllhausen und vorher schon Zielinsky ihrem Schicksal überlassen hat, wurde schon angesprochen. Menschen scheinen nur einen Wert für ihn gehabt zu haben, wenn sie nützlich waren, zu tiefergehenden Beziehungen war er anscheinend nicht fähig. Seine rassistischen Ansichten über die Indianerpolitik und die Sklavenfrage wurden sicher von vielen seiner Zeitgenossen geteilt, werden dadurch aber nicht entschuldbar. Er wirft der amerikanischen Regierung vor, daß sie nicht konsequent genug gegen die Indianer vorgeht und über Schwarze äußert er:
Hier trennen den Herzog Welten von seinem angeblich so hoch verehrten Vorbild Alexander von Humboldt.
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Die Pausen zwischen den Reisen benutzte der Herzog, soweit er sich nicht in seinem politischen Amt als Mitglied der Kammer der Standesherrn betätigte oder kleinere Reisen in Deutschland und Europa unternahm, um seine umfassenden Sammlungen von Präparaten und Ethnologica zu katalogisieren und sie im Schloß Mergentheim unterzubringen und um seine Tagebücher für den Druck vorzubereiten. Er scheiterte wohl an der Masse des Materials, welches von ihm auch noch ständig durch Zukäufe vergrößert wurde. Er wurde ein anerkannter Fachmann für Vogelkunde und führte eine internationale umfangreiche Korrespondenz mit Naturforschern. Er war Mitglied in zahllosen wissenschaftlichen Vereinigungen und erhielt von der Universität Tübingen einige Ehrendoktortitel. |
Das Schicksal der Aufzeichnungen, Tagebücher und Zeichnungen
Andreas Graf schreibt in "Der Tod der Wölfe":
Louis C. Butcher veröffentlichte in der NEW MEXICO HISTORICAL REVIEW, Band 17, Nr.3, Juli 1942 eine Übersetzung von Teilen der Bauser-Abschrift und fügte in erheblichem Umfang weitere Verfälschungen hinzu. Viele Wissenschaftler haben seither diese unkorrekte Übersetzung in gutem Glauben für ihre Arbeiten benutzt. |
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