BALDUIN MÖLLHAUSEN
TEXTE
Beschreibung der Reise mit Herzog Paul Wilhelm von Württemberg und die folgenden Erlebnisse. 9 Teile.

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Bei den Oto

Der Text erschien unter der Bezeichnung:
Erzählung der Abenteuer am Nebrasca. (Fortsetzung.)
in
Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee. Eingeführt von Alexander von Humboldt.- Leipzig: Hermann Mendelsohn. 1858.


Kapitel X, Seite 107

Der Weg zum Lager der Indianer mochte nur zwei Meilen betragen," begann er, "doch schien er mir sehr lang. Der kleine Trupp, welcher mir vorangezogen war, hatte eine Bahn oder vielmehr einen Pfad im tiefen Schnee gebrochen; diesem folgend fühlte ich so recht, wie weit meine Kräfte mich verlassen hatten. Eine grenzenlose Mattigkeit bemächtigte sich meiner und zagend gedachte ich der weiten Märsche, die ich in den nächsten Tagen zurückzulegen hatte. Meinen neuen Gefährten war meine Kraftlosigkeit nicht unbemerkt geblieben und sorglich änderten sie den ganzen Reiseplan, aus steter Rücksicht für mein Wohl. Ihr kleines Lager, welches zwei grosse Zelte bildeten, stand in einer tiefen, mit verkrüppelten Eichen bewachsenen Schlucht, am Rande eines ausgetretenen Baches, dessen Wasser mit dicker Eiskruste überzogen war. Schnee lag überall, doch konnte der Sturm seinen Weg nicht hinab finden, um an den Zeltstangen zu rütteln oder die neun kleinen, zottigen Pferde in ihrer Arbeit zu stören, wenn sie ihr bescheidenes Futter mit den scharrenden Hufen blosslegten. Ein Gefühl angenehmer Behaglichkeit überkam mich, als ich die steile Uferwand hinabkletterte und meines künftigen Asyls ansichtig wurde. Meine Gefährten waren schon angelangt, der kleine Wagen ebenfalls und die braune, wild aussehende Schaar war emsig damit beschäftigt, den verschiedenen Packeten und Bündeln in den geräumigen Zelten Plätze anzuweisen. An-tarro-hau! tönte es mir entgegen und dieser Ausruf des Willkommen wurde von den Männern durch einen wohlgemeinten Händedruck bekräftigt, während die Weiber und Kinder mich neugierig bewunderten und eine gewisse Genugthuung darüber zu empfinden schienen, dass ein Weisser sich unter ihnen befand, der schlechter und weniger bekleidet war, als sie selbst. Die Kinder wichen scheu vor mir zurück, doch konnte mich dieses nicht befremden, denn mein Aussehen musste wirklich abschreckend sein: Bart und Kopfhaar bildeten eine wild verworrene Masse und die Haut war durch den Einfluss des Wetters, mehr aber noch durch den Rauch, dem ich fortwährend ausgesetzt gewesen, dunkelbraun gefärbt. Nur noch Fragmente von Kleidungsstücken umgaben meinen Körper und Reste von Schuhen hatte ich mit Riemen an meinen Füssen befestigt. In diesem gewiss nicht unmalerischen Aufzuge stand ich vor den Zelten der gastfreundlichen Ottoes. "Wigwam-Pet-sche-Pi-ke!" redete der Medizinmann mich jetzt an und zeigte auf die Oeffnung in seinem Zelte, "im Wigwam ist gutes Feuer," übersetzte Farfar, "geh' hinein und wärme Deine Glieder, iss und trink mit Wa-ki-ta-mo-nee und komm' dann in mein Zelt, dort kannst Du wohnen, dort kannst Du schlafen, mein Haus ist gross genug und warm." Willig leistete ich der Aufforderung Folge, kroch in die Behausung des Medizinmannes und nahm an seiner Seite vor dem flackernden Feuer Platz. Um uns her lagerten oder hockten auf den Knieen die übrigen Mitbewohner. Die alte Mutter, mit der Zubereitung des Mahles beschäftigt, zunächst der Thüröffnung, ihr zu beiden Seiten ihre Töchter, von denen die älteste ungefähr achtzehn und die jüngste nur zwei Jahre zählen mochte. Der Hausvater, sein Sohn und Schin-ges-in-ki-nee hatten auf indianische Weise die besten Plätze für sich behalten, war mir, der ich mich in ihre Mitte setzte, ganz gut zu Statten kam. Die Medizinpfeife, mit einem Kopf aus rothem Stein geschnitten, machte fleissig die Runde und die Zeit, welche mit dem Vertheilen des zum Mahle bestimmten Fleisches hinging, machte ich mir zu Nutze, um das Innere einer indianischen Wohnung genauer in Augenschein zu nehmen. Sechszehn lange Pfähle, von schlanken Fichten leicht ausgearbeitet, waren so hingestellt, dass sie auf dem Boden einen Kreis von sechszehn Fuss im Durchmesser bildeten, während ihre Spitzen sich an einander lehnten und zusammengebunden waren. Um dieses Gerüst schlang dich mantelartig das Zeltleder, welches aus vielen weissgegerbten Büffelhäten bestand, die zu diesem Zwecke sauber mit sehnen zusammengenäht waren. Das Leder reichte indessen nicht ganz bis zur Spitze hinauf, wodurch eine Oeffnung entstand, die dazu diente, dem fortwährend aufsteigenden Rauch einen Weg in's Freie zu lassen; zwei dort angebrachte flaggenähnliche Verlängerungen der Zeltwände, die von aussen durch besondere Stangen nach Belieben gestellt werden konnten, bildeten bei stürmischem Wetter oder widrigem Winde einen hinlänglich guten Rauchfang. Mittels kleiner Pflöcke war das Zelt dicht auf dem Boden befestigt, so, dass die straff gespannten Seiten weder Regen, noch den durch die Nähe des Feuers schmelzenden Schnee hindurchliessen, und die Bewohner sich nicht nur eines sichern Obdaches, sondern sogar einer leidlich behaglichen Wohnung erfreuen konnten. Ringsum an den Pfählen und Pflöcken reihten sich die Habseligkeiten der Indianer; sie nahmen dort den entbehrlichsten Platz ein und hielten zugleich noch Kälte ab, die sich dort am leichtesten hätte hineinstehlen können. Auf dem übrigen Raume, der sich um die in der Mitte ausgegrabene Feuergrube hinzog, waren Büffelhäute ausgebreitet, die während der Nacht wärmende Lager und am Tage, zusammengerollt, bequeme Sitze gewährten. Die Feuergrube war einen halben Fuss tief und in einem Zirkel von zwei und einem halben Fuss im Durchmesser angelegt; ein Haufen glühender Kohlen in derselben und darüber eine Anzahl flackernder Scheite verbreiteten eine angenehme Wärme in dem engen Raume. In der Nähe des Feuers war ein gabelförmiger Baumast in die Erde gesteckt, auf welchem eine Querstange ruhte, die über die ganze Breite des Zeltes reichte; an dieser hing über den Flammen das einzige und ununentbehrlichste Haus- und Küchengeräth in Gestalt eines grossen Kessels; der übrige Theil der Stange war mit nassen Leggins oder Gamaschen und zerrissenen Mokkasins geschmückt, die sich in bunter Ordnung und gewiss nicht auf die lieblichste Weise aneinander reihten.

    Dieses, mein lieber Doctor, ist die Beschreibung eines Zeltes, so wie es die Ottoes oder besser gesagt alle Prairie-Indianer auf ihren Reisen mit sich führen. Freilich finden sich bei den verschiedenen Stämmen einzelne kleine Unterschiede in der Einrichtung: so graben z.B. die Kioways ihre Feuergruben zwei Fuss breit, die Comanches dagegen, die nächsten Nachbarn der Kioways, legen dieselben nur ein und einen halben Fuss im Durchmesser an, doch sind das Abweichungen, die man nur durch längern Aufenthalt unter den Wilden ausfindig machen kann, und namentlich wenn man darauf angewiesen ist, auf einer verlassenen Lagerstelle der eigenen Sicherheit wegen einen Schluss zu ziehen, ob er freundliche oder feindliche Indianer sind, deren Spuren man kreuzt.

Ausser den wilden, halbnackten Gestalten belebten noch einige alte und junge Hunde Wa-ki-ta-mo-nee's Zelt. Die Aufmerksamkeit der Hausmutter, einer schmutzigen, alten Squaw, war ausschliesslich dem Kessel und seinem brodelnden Inhalt zugewendet. Roh geschnitzte, hölzerne Schüsseln standen in einer Reihe vor ihr und mittels eines zugespitzten Stabes fischte sie ganze Viertel von Waschbären und halbe Truthühner aus dem grossen Behälter und versah jede der Schüsseln mit einer bedeutenden Portion der angenehm duftenden Speise. Sie gerieth bei dieser Beschäftigung mehrfach in Streit mit den diebischen Hunden, wobei sie genöthigt wer, auf unsanfte Weise ihren hölzernen Bratspiess auf die gefühllosen Köpfe der hungrigen Hausthiere fallen zu lassen, um ihren scharfen Zähnen einen schon erfassten Braten zu entreissen. Knurrend und jammernd krochen die unglücklichen Hunde umher; das Austheilen des Fleisches nahm ruhig seinen Fortgang, wobei ich auf eine so freigebige Weise mit fetten Bissen bedacht wurde, dass trotz meines grossen Hungers gewiss zwei Tage für mich nöthig gewesen wären, einen solchen Vorrath von Lebensmitteln zu vertilgen. Es schmeckte mir vortrefflich, wobei der Medizinmann es nicht an freundlichem Zureden fehlen liess, doch trotz besten Willens konnte ich mich der mir zugetheilten Portion nicht bemeistern; ich schob das Uebrige zurück, wodurch ich unschuldiger Weise bedeutend im Ansehen bei meinen Gastfreunden verlor, die eine Art Beleidigung in meinem Benehmen fanden, welches so sehr gegen indianische Sitte verstiess. Man liess mich indessen ungestört, fast unberücksichtigt meinen Einzug in das Zelt des Halbindianers Farfar bewerkstelligen. Farfars Wohnung unterschied sich von der des Medizinmannes nur durch grössern Umfang, der ausserdem von wenigeren Mitgliedern eingenommen wurde. Denn ausser Farfar und seiner jungen, hübschen Squaw Sche-ne-lo-töm waren noch der alte Wo-nes-hee, seine Gemahlin und Scha-ho-ka-ta-ko Mitbewohner oder vielmehr meine Hausgenossen. Ich wurde Schlafkamerad des jungen Scha-ho-ka-ta-ko und begab mich also mit meinen Waffen zu ihm auf sein Lager, um mich häuslich einzurichten. Der alte Wo-nes-hee liess die Pfeife die Runde machen und ich hatte seit langer Zeit zum ersten Male wieder den Genuss. Mich mit einem Nebenmenschen in eine förmliche Unterhaltung einlassen zu können. Obgleich ich aus Farfars Worten und Ideen entnehmen konnte, dass ich in die Gesellschaft eines Schurken gerathen war, vor dem ich beständig auf meiner Hut zu sein habe, so fand ich doch nicht wenig Ergötzen daran, mich mittheilen und verständliche Worte vernehmen zu können. Mit Schrecken nahm ich wahr, dass auch hier Anstalten zu einem bevorstehenden Mahle getroffen wurden. Ich wendete mich daher an Farfar mit den Worten: "Sage Deinen Weibern, ich sei so zur Genüge gesättigt, das es mir eine Unmöglichkeit wäre, an den kleinen Erfrischung, wie Du diese Masse von Fleischproviant zu nennen beliebst, Theil zu nehmen." - "Du erfreust Dich jetzt der Gastfreundschaft der Ottoes," antwortete Farfar, "und Du thust wohl, Dich in ihre Sitten und Gebräuche zu fügen, wenigstens so lange Du bei ihnen weilst. Sieh' ich habe lange unter den Weissen gelebt und verlache alle Thorheiten der Indianer; es ist mir aber plötzlich eingefallen, Indianer zu sein, ich habe mir eine Squaw genommen, und mische mich in die Kriegs- und Medizintänze wie eine vollblütige Rothhaut, man traut mir und ich bin angesehen, Wenn Du in die Wohnung einer Rothhaut trittst, so ist die Pfeife das Erste, was sie Dir als Zeichen der Freundschaft bietet und das Zweite Nahrung, und je freundschaftlicher die Gefühle, um so grösser sind die angebotenen Portionen. Der Medizinmann liebte in Dir den zähen Jäger und Krieger, demgemäss wurde Dir auch ein Achtung gebietendes Mahl verabreicht, so wie Dir gleich ein zweites durch Wo-nes-hee zukommen wird. Deine Pflicht war es, die Freundschaftserklärung durch Verzehren der ganzen Gaben anzuerkennen, Du hast Wa-ki-ta-mo-nee beleidigt, Du hast mehr als die Hälfte übrig gelassen, Du wirst es in Zukunft besser machen und es gleich in unserem Zelte beweisen, da Du jetzt unsere Gebräuche kennst." - "Soll ich Eure hölzernen Schüsseln nicht auch gleich mit verzehren?" fragte ich unmuthig. "Nein," erwiederte er ruhig; "damit wäre uns ein schlechter Dienst geleistet, den es kostet viel Mühe einen solchen Behälter zu schnitzen." - "Dann soll ich mich zur Strafe, dass ich dem Hungertode entgangen bin, wohl jetzt zu Tode essen?" - "Auch das nicht," antwortete Farfar, "ich will Dir einen Ausweg sagen. Wenn Du wieder zum Essen in anderen Zelten geladen bist, dann nimm so viel zu Dir, wie Du willst und magst, das Uebrige packe stillschweigend und ungenirt in Deine Büffelhaut oder Kopfbedeckung und bringe es nur hierher, wir werden Dir dann helfen, den Medizinmann zufrieden zu stellen." - "Eure Gebräuche sind doch etwas verschieden von denen in den Vereinigten Staaten," bemerkte ich mit halberleichtertem Herzen, "aber sage mir, wie wird es, wenn mir hier in Deinem Zelte eine solch unerhörte Masse von Fleisch verabreicht wird? soll ich das, was ich übrig lasse, vielleicht in Wa-ki-ta-mo-nee's Zelt tragen?" - "Nein," antwortete der Halfbreed[ 1 ], "iss etwas und lege das Uebrige hinter Dein Lager, und zwar so, dass, wenn Du während der Nacht aufwachst, Du nur zuzulangen brauchst; die Nächte sind jetzt lang." Auf diese Weise pflogen wir unsere Unterhaltung weiter, ich versuchend alle Indianer zu civilisiren, Farfar mich belehrend und unterweisend, mir immer mehr und mehr die indianischen Gewohnheiten anzueignen. Wie ich auf solche Weise in dieser Schule Schritt für Schritt weiter ging und dem Aeussern nach zuletzt mich nur noch wenig von meinen Gefährten unterschied, da musste ich mir doch manchmal sagen, das ein Weisser leichter zum Indianer, als ein Indianer den Sitten und Gebräuchen nach zu einem weissen Manne wird.
            Hell flackerte am ersten Abende meines Aufenthaltes in der neuen Heimath das Feuer in Farfars Zelt, getrocknetes Büffelfleisch und Biberschwänze siedeten in dem mächtigen Kessel und mit Ausnahme einer alten Squaw, welche die Angelegenheiten der Küche zu besorgen hatte, war jedes weibliche Wesen aus unserer Nähe verschwunden. Mit ernster, gewichtiger Miene sassen junge und alte Krieger im Kreise um die leuchtende Flamme, die Pfeife ging von Hand zu Hand, es sollte Rath gehalten werden. Der Medizinmann war Vorsitzender und der Halbindianer vertrat die Stelle des Dollmetschers.
            Wa-ki-ta-mo-nee nahm einen langen Zug aus der mit grünen Entenköpfen und weissen Schnäbeln von schwarzen Spechten geschmückten Medizinpfeife, liess den Dampf langsam durch die Nase wirbeln, beobachtete die bläulichen Tabakswölkchen, wie sie in die Höhe zogen und sich mit dem Qualm der Holzscheite vereinigten, und hielt dann eine lange Rede, die natürlich mich betraf, von der ich indessen kein Wort verstand. Nichts desto weniger lauschte ich aufmerksam der klangreichen Stimme und den Worten, die wie Musik in einander zu verschwimmen schienen und die nach der Uebersetzung des Halbindianers ungefähr folgenden Inhaltes waren:
            "Der Weg zu unsern Wigwams ist lang und wenn die Füsse ruhen, versteckt sie tiefer Schnee, der Weg ist lang von Holz zu Holz, er dauert von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die Pferde sind beladen mit Fleisch und Fellen, die Rücken unserer Weiber mit ihren Kindern; wir Alle müssen gehen; der Amerikaner soll mit uns ziehen. Das Fleisch der Wölfe war lange seine Nahrung, er ist hungrig und ohne Kraft, er kann am Abend das Holz nicht erreichen, er ist müde; er hat lange die Augen schliessen müssen, denn der Schnee fiel hinein, er hat sie offen halten müssen, denn der weisse Wolf bedrohte ihn. Der Amerikaner muss schlafen und essen drei Tage und drei Nächte, er muss frisches und getrocknetes Fleisch essen und dann kann er gehen, dass die Squaws und Kinder seiner nicht lachen.
            Unsere Weiber sollen Mokkasins an seine Füsse schnüren und rohe Büffelhaut unter dieselben befestigen, die verbrannten Grasstoppeln stechen sonst in sein weisses Fleisch. Der Amerikaner hat eine kurze Flinte, er hat aber lange Kugeln, der Ponka, dem wir begegnen, wird zuerst auf den weissen Bruder schiessen, der weisse Bruder muss ein Ottoe sein. Lasst uns seine gelben Haare von seinem Schädel scheeren, die Skalp-Locke schwarz färben und Vermillion in sein Gesicht reiben, er ist dann ein Ottoe und kann eine Ottoe-Squaw zu seiner Frau machen!"
            [...] Handgreiflich war es, dass es die Leute redlich mit mir meinten, und ich war auch ganz einverstanden mit dem ersten Theil der Rede; allein die letzten beiden Vorschläge verdienten von meiner Seite noch einer besondern Erwägung. Von meinen blonden Locken wollte ich mich auf keinen Fall trennen, obgleich dieselben einem Haufen Filz nicht unähnlich waren; aber mit rasirtem Schädel umherzulaufen, dazu im Januar, schien mir noch gefährlicher als den Pfeilen und Kugeln der feindlichen Ponkas und Sioux ausgesetzt zu sein. Dann dachte ich auch, dass im Falle eines Zusammentreffens mit diesen Stämmen ein kahler Kopf mich schwerlich vor dem Skalpirtwerden schützen würde, da ich ja mit ihren Feinden, den Ottoes, reiste. Bedenklicher aber noch als Kopfrasiren und Alles andere erschien mir das Heirathen; denn Haare wachsen wieder nach aber eine mit Gewalt aufgedrungene indianische Frau wieder los zu werden, ist nicht ganz so leicht. In dieser unangenehmen Lage musste ich mich mit der grössten Vorsicht benehmen. Um die Leute nicht zu beleidigen und mir ihre wohlwollenden Gesinnungen zu erhalten, sann ich hin und her; konnte aber zu keinem Entschluss gelangen, bis Farfar mir aus der Verlegenheit half und in meinem Namen folgende Worte an seine Gefährten richtete: "Der Amerikaner ist ein Bruder der Ottoes, er liebt sie, dann sie haben ihn gerettet, er wird mit ihnen rauchen, essen, jagen und ihre Feinde bekriegen. Er hat lange im Schnee geschlafen und hat manchen guten Traum gehabt, und im Traume Ottoe-Krieger gesehen, die seine Haare schoren, aber aus jedem Haare kamen Schneeflocken, und der Sturm kam hinter die Flocken und trieb sie nach dem Wigwam der Ottoes und begrub Alles im Schnee. Der Amerikaner ist jetzt arm, er muss im Wigwam der Ottoes schlafen, er muss aus ihren Händen essen, er will zwei Töchter des Wa-ki-ta-mo-nee in sein Zelt nehmen, er will aber mit offenen Händen für seine Squaws zahlen und im eigenen Wigwam schlafen. Er will dreissig Büffel schiessen, dreissig Büffelfelle von den Squaws der Ottoes gerben und in ein Zeltleder nähen lassen, er will sechs Pferde stehlen, zwei für sich, zwei für seine Weiber, und zwei um damit dem grossen Medizinmann die Töchter abzukaufen."
            Mit Aufmerksamkeit und augenscheinlicher Zufriedenheit lauschte der Ottoe-Krieger den Worten, die Farfar aus dem Stegreif erzählte, und war so erfreut über meinen eben beschriebenen, ritterlichen Sinn, dass er, wie der schlaue Halbindianer vorhergesehen hatte, mir seine Töchter augenblicklich zu Frauen anbot, vorausgesetzt, dass ich später die Pferde richtig bezahlen wolle. Bart und Haare durfte ich mir nach seiner Meinung aber nicht abschneiden, weil der gute Traum für diesen Fall Unglück geweissaget habe. Farfar rettete mich abermals vor einer Convenienzheirath, indem er rundweg erklärte es sei gegen meine Medizin, eine Verbindung einzugehen, ohne den geforderten Preis bezahlt zu haben. So blieb ich unverheirathet und hatte wo möglich noch im Ansehen meiner Gastfreunde gewonnen, denn ich erhielt fast täglich von Wa-ki-ta-mo-nee als Beweise seiner Zuneigung solche Fleischrationen, wie ein Indianer sie seinem zukünftigen Schwiegersohne nur immer zu geben vermag. Der Berathung folgte ein Schmaus, worauf sich Jeder zur Ruhe begab. Mit einem besondern Gefühl der Behaglichkeit dehnte ich mich unter meinen Decken, die Gluth der Feuergrube wärmte mich von der einen, und Scha-ho-ka-ta-ko, der mit mir sein Bett getheilt hatte, von der andern Seite. Mein Schlaf würde nichts zu wünschen übrig gelassen haben, wann nicht zu häufig die Hunde auf meinen abgemagerten Gliedern, dieser spärlich wärmenden Unterlage, Platz genommen hätten. Was sie dazu bewog, weiss ich nicht: glaubten sie mich als einen Fremdling so missbrauchen zu dürfen, oder hatte ich in der That ihren alten, gewohnten Platz eingenommen? genug ich lebte in ewigem Krieg mit diesen Thieren, habe mir dafür aber ihr Fleisch, wenn bei besonderen Gelegenheiten der eine oder der andere geschlachtet und zubereitet wurde, vortrefflich schmecken lassen. Unter Essen, Trinken, Schlafen und zeitweisem Bändigen zweier Pferde in meinem kleinen Wagen gingen die drei Tage hin.
            Ich war dem Aeussern nach fast gar nicht mehr von meinen rothhäutigen Gefährten zu unterscheiden: meine Kleidung war nach ihrer Mode gearbeitet und mein Gesicht zum Ueberfluss mit gelber und rother Oelfarbe auf's Kunstfertigste bemalt. Die Indianer hielten mich, auf diese Weise geschmückt, für einen jungen Mann von einnehmendem Aeussern und schienen sich ganz der Hoffnung hinzugeben, mit der Zeit noch einmal aus mir einen recht ansehnlichen Ottoe-Krieger zu machen. Die Kinder fürchteten sich nicht mehr vor mir und die Weiber liessen ihre blitzenden Augen mit besonderem Wohlgefallen auf meinen Zügen ruhen, die in fast allen Regenbogenfarben prangten. Ich fügte mich gern in die Harmlosen Gebräuche dieser freundlichen Menschen, um so mehr als ich bemerkt hatte, dass eine gute Lage dieser fettigen Farbe ein sicheres Mittel gegen die schneidende Kälte war und das Einspringen der Haut bei dem eisigen, scharfen Winde verhütete. In dem Masse, wie ich meinen Körper pflegte, nahmen meine Kräfte wieder zu; doch war ich nach Verlauf der drei Tage dem Ausspruche des weisen Zauberers zufolge noch nicht im Stande zu wandern und zwei Tage wurden zugegeben, nach deren Ablauf die Reise unbedingt angetreten werden sollte.

[ 1 ]
Halfbreed, englische Bezeichnung für Halbindianer.



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