BALDUIN MÖLLHAUSEN
TEXTE
Beschreibung der Reise mit Herzog Paul Wilhelm von Württemberg und die folgenden Erlebnisse. 9 Teile.

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Die letzten Tage
Beraubt. - Der Präriebrand. - Die Büffeljagd.

Der Text erschien unter der Bezeichnung:
Fortsetzung der Erzählung: Die Abenteuer am Nebrasca.
in
Reisen in die Felsengebirge Nord-Amerikas bis zum Hoch-Plateau von Neu-Mexico, unternommen als Mitglied der im Auftrage der Regierung der Vereinigten Staaten ausgesandten Colorado-Expedition. Erster Band.- Leipzig: Otto Purfürst (und) Hermann Costenoble. o.J. (1861).


Sechszehntes Kapitel, Seite 343

Wir waren also den Kioway-Indianern glücklich entronnen und setzten unsere Reise in der Nähe des Nebrasca nach besten Kräften fort. Ich will hier nicht davon reden, auf welche Weise wir uns zur nächtlichen Stunde durch Abbiegen von der Straße gegen ein zufälliges und unwillkommenes Zusammentreffen mit den Eingeborenen zu wahren suchten, und erwähne nur, daß wir uns Tag für Tag mühsam mit unsern matten Pferden etwas weiter schleppten. Wir erblickten endlich Fort Kearney, die Militairstation, die von der Vereinigten-Staaten-Regierung, zum Schutz der Emigrantenzüge gegen die räuberischen Nationen der Pawnee-Indianer, errichtet worden ist. Statt auf das Fort zuzulenken, welches eine Strecke von der Straße entfernt liegt, kehrten wir bei einem Grenzer ein, der dicht an der Straße einen kleinen Handelsposten angelegt hatte. Recht niedergeschlagen trat ich in die Hütte, und zwar niedergeschlagen, weil ich nur einige Stunden unter dem sichern Obdach verweilen durfte, das Prairiefieber mich heftig schüttelte, und mich das Bewußtsein peinigte: in solchem Zustande noch über zweihundert und funfzig Meilen in der winterlichen Steppe zurücklegen zu müssen. Ich warf mich vor dem Kaminfeuer nieder und versuchte, unbekümmert um die mich umgebenden weißen und rothen Menschen, zu schlafen. Es gelang mir nur halb, denn fortwährend vernahm ich die Worte, die zwischen dem Herzog und dem Grenzer gewechselt wurden, und folgte den Erzählungen der Letztern, mit welchen er seine Umgebung unterhielt. So sprach er auch von zwei jungen Büffeln, die er eingefangen und gezähmt hatte, und beschrieb ausführlich, wie er sie in einen Pflug eingespannt und eine einzige Furche gezogen habe, und wie dann die Thiere, anstatt umzukehren, mit dem Pfluge davongelaufen und nicht wieder zurückgekehrt seien. Er sprach auch von den Indianern, die sich nicht mehr so fügsam zeigen wollten, und einer scharfen Lehre bedürften, und als schon Alle schliefen, glaubte ich noch immer murmelnde Stimmen zu hören, welche stets dieselben Geschichten wiederholten.
            Der Tag brach endlich an, der Herzog erstand noch einige Lebensmittel, und bald darauf befanden wir uns wieder auf der Straße und verfolgten die Richtung nach dem Missouri zu. Fort Kearney blieb links von uns liegen, und noch hatten wir dasselbe nicht aus dem Gesichte verloren, als wir ein indianisches Lager von mindestens hundert Zelten erblickten, an welchen unser Weg in der Entfernung von einer Meile vorüber führte. Indianische Jäger durchstreiften nach allen Richtungen hin die weite Ebene, und bald genug bemerkten wir auch einige, welche direct auf uns zueilten. Die Nähe des Forts ließ allerdings keine Besorgniß um unser Leben aufkommen, doch war es uns nicht fremd, daß wir außer andern Unannehmlichkeiten auch einer Beraubung ausgesetzt waren. Um dergleichen zu entgehen und sich unter den Schutz der Häuptlinge zu stellen, lenkte der Herzog gerade auf das Lager zu, doch waren wir erst eine kurze Strecke von der Straße entfernt, als wie durch Zauberschlag plötzlich alle Zelte verschwanden, und wir an deren Stelle ein wildes Durcheinander von Menschen, Pferden und Hunden erblickten. Augenscheinlich war die Bande eben im Begriff aufzubrechen, doch änderten wir unsere Richtung nicht eher, als bis ein ganzer Trupp wild aussehender Gesellen uns den Weg vertrat.
            Die Räuber, denn als solche kann ich dieselben nur bezeichnen, begriffen unsere Absicht sehr wohl, doch schien dieselbe ihren Wünschen wenig zu entsprechen, und wenn sie sich der Ausführung derselben auch nicht mit Gewalt widersetzten, so verstanden sie es doch, auf die unverschämteste Weise uns so lange aufzuhalten, bis das ganze Lager, welches das Dorf der verrätherischen Wolf-Pawnees bildete, sich auf dem Rücken der Packthiere befand und , eine lange Reihe schließend, in einer entgegengesetzten Richtung davoneilten. Es blieb uns also nur noch übrig, entweder nach dem Fort zurückzugehen, oder wieder in die Straße einzubiegen. Wir wählten das Letztere, und hatten dabei die Ehre, von unsern Peinigern escortirt, und des größten Theils unserer Kleidungsstücke und Lebensmittel beraubt zu werden. Mit ohnmächtiger Wuth blickten wir der Gesellschaft nach, als sie sich hohnlachend entfernte; wir waren zwar im Besitz unserer Waffen, doch was hätten wir gegen eine solche Uebermacht beginnen können? Wir freuten uns, noch so davongekommen zu sein, und gewiß nicht in der besten Stimmung setzten wir unsern Weg gegen Südosten fort. Wir verließen nämlich an jener Stelle das Thal des Nebrasca, und hatten demnächst einen langen Winkel abzuschneiden, der von diesem Fluß und dem Missouri gebildet wird. Am zweiten Tage nach diesem Vorfall machten wir eine neue Entdeckung, die nichts weniger als aufmunternd wirkte. Eine schwarze Rauchwolke faßte nämlich den ganzen nordwestlichen Horizont ein, ein untrügliches Zeichen, daß die Pawnees die Prairie angezündet hatten, und da der Wind zwar nicht heftig, doch unausgesetzt aus jener Richtung blies, so konnten wir mit Sicherheit darauf rechnen, von dem zerstörenden Brand eingeholt zu werden. Wenn nun auch keine augenblickliche Lebensgefahr mit diesem Uebelstande verbunden war, so drohte doch das entfesselte Element, welches sich immer weiten nach beiden Seiten hin ausdehnte, das letzte kärgliche Futter für unsere Pferde vollständig zu vernichten. Mit einem gewissen Schrecken beobachteten wir daher die Rauchwolken, welche sich langsam über uns hinwälzten, gleichsam als Vorboten des schrecklichsten Feindes, dem wir bis jetzt begegnet waren. Es dauerte fast vier und zwanzig Stunden, ehe wir die ersten Flammen erblickten; dieselben glitten langsam an den Abhängen der grasreichen Hügel hin, als aber in den Nachmittagsstunden des zweiten Tages der Wind sich verstärkte, beschleunigte auch der verheerende Brand seine Eile, und in kurzer Zeit vernahmen wir das dumpfe Dröhnen und Knistern, welches Menschen und Thiere mit Grausen zu erfüllen vermag. Es blieb uns allerdings ein Mittel, die Gefahr von uns abzuwenden, nämlich dicht am Wege Feuer an das dürre Gras zu legen, und eine Stelle zu unserer Zuflucht frei zu brennen, doch sahen wir dieses als die letzte Rettung an, und eilten einer tiefen Schlucht zu, deren nackte Wände dem Feuer keine Nahrung boten, und die zugleich so breit war, daß der Brand nicht über dieselbe hinwegspringen konnte.
            Gerade zu rechter Zeit erreichten wir den sichern Winkel, und von unserm kleinen Lager aus beobachteten wir das wüthende Element, wie es mit Windeseile der Schlucht zutrieb, an dem nackten Ufer noch einmal hoch aufloderte und dann zusammensank. Zu unserm Glück wuchs der Wind gegen Abend zu einem Sturm an, der den Brand in gerader Linie über die gedörrten Grasfluren peitschte, und den wilden Flammen, wo dieselben die Schlucht übersprungen oder umgangen hatten, nicht gestattete, sich seitwärts, in der für uns gefährlichen Richtung, auszudehnen. Sicher fühlten wir uns indessen keineswegs, denn lange noch saßen wir da, und bewachten und bewunderten eine Naturscene, welche mit Recht als eine der erhabensten bezeichnet wird. Um dergleichen Scenen in vollem Maaße genießen zu können, bedarf es eines heitern Gemüthes, welches nicht von Sorgen um die Gegenwart, der Zukunft gar nicht zu gedenken, beschwert ist. Der Haupteindruck ging daher bei uns verloren, denn wir waren hungrig, und wie unsere Pferde sich mit der kärglichen Nahrung begnügen mußten, welche das dürre Gras ihnen bot, so durften auch wir nur unsere gewissen Rationen von den übrig gebliebenen Lebensmitteln verzehren, die, sogar im glücklichsten Falle, wenigstens noch drei bis vier Wochen ausreichen sollten.
            "Alles vereinigt sich, um uns einen schrecklichen Untergang in der Steppe zu bereiten," wendete ich mich zu dem Herzog, dessen Bewundernde Blicke den Bewegungen der Flammen folgten, welche auf zauberische Weise die Nacht erhellten.
            "Der Brand ist freilich ein Unglück für uns," erwiderte der Herzog, "doch wer weiß, wozu er gut ist." "Ich weiß, wozu er gut ist", antwortete ich mürrisch, "er ist gut, um unsere Pferde Hungers sterben zu machen, er ist gut, um uns erst die Knochen der Pferde abnagen zu lehren, und demnächst unsere Gebeine neben denen unserer Thiere bleichen zu lassen." Der Herzog lachte, ich lachte; wir verfügten uns auf unsere Lager, doch war gewiß Keinem von uns Beiden so leicht um's Herz, daß dieses Lachen als Wahrheit hätte aufgenommen werden können.
            Als wir uns am folgenden Morgen auf den Weg begaben, wehte der Sturm noch mit ungebrochener Wuth. Weit östlich von uns erblickten wir die abwärts treibenden Rauchwolken, doch schlimmer noch als diese waren die Wolken von Staub und Asche, welche der heftige Wind mit sich führte, die uns das Athmen erschwerten und das Sehen kaum erlaubten. Wir zogen durch die Schlucht an einer Stelle, die vom Feuer verschont geblieben war, und wo mehrere Nebenschluchten in dieselbe einmündeten. Ich ritt in der Entfernung von etwa hundert Schritt hinter dem Wagen, und in der Tiefe angekommen, wohin der Sturm seinen Weg nicht finden konnte, hielt ich an, um frischen Athem zu schöpfen. Ich schaute um mich, doch wer vermag das Entzücken zu beschreiben, welches ich empfand, als ich in einer der Nebenschluchten die zottige Gestalt eines ruhenden Büffels erblickte. Ich glaubte meinen Augen nicht trauen zu dürfen, denn die Regionen der Büffel lagen weit hinter uns, und Wochen waren vergangen, seit wir die letzten Nachzügler der großen Heerden gesehen hatten. Ich täuschte mich aber nicht, denn deutlich erkannte ich den riesenhaften Gesellen, als er seinen mähnigen Kopf etwas zur Seite neigte. Alle meine Leiden waren plötzlich vergessen, ich eilte dem Herzog nach, um ihm die glückliche Nachricht mitzutheilen, und zugleich meine Büchse aus dem Wagen zu nehmen. Auch der Herzog zweifelte anfänglich, hier noch auf Büffel zu stoßen, und gab als einzige Möglichkeit zu, daß vielleicht ein abstreifender Stier vor den Prairiebrand gerathen, von demselben bis hierher gehetzt war, und endlich in der Schlucht einen Zufluchtsort gefunden habe.
            Wir ließen die Pferde also ruhig stehen, ergriffen unsere Büchsen und begaben uns nach der Richtung hin, wo ich unser Opfer ausgekundschaftet hatte. Als wir den Rand der Tiefe erreichten, erblickten wir den Büffel gerade unter uns; er befand sich in guter Büchsenschußweite, und um ihn nicht durch unzeitige Bewegung zur Flucht zu veranlassen, beschlossen wir, von der Höhe herab auf ihn zu schießen. Der Wind war furchtbar und erlaubte uns kaum festzustehen und zu zielen, doch der Hunger und die Aussicht auf frisches Fleisch kräftigte unsere Arme; die Schüsse krachten, der Büffel sprang auf und schritt schwer getroffen von dannen. Wir folgten ihm auf der Höhe nach, und zwei Kugeln schossen wir ihm noch durch den Leib, ehe wir ihn zum Stehen brachten.
            Es war ein trauriger Anblick, den kraftvollen Stier zu beobachten, wie er seine Füße spreizte und sich vor dem Zusammenbrechen zu wahren suchte, doch die Kugeln waren tödtlich gewesen, geronnenes Blut entstürzte seinem Halse und seinen Nüstern, der Koloß wankte und bald darauf dehnte er sterbend seine Glieder auf dem gedörrten Rasen.
            "Gott sei Dank!" rief ich unwillkürlich aus, als ich das feiste Thier regungslos daliegen sah. "Gott sei Dank!" sagte auch der Herzog, doch fügte derselbe noch hinzu: "Wenn der Prairiebrand nicht gewesen wäre, den Sie gestern und auch heute noch so verwünschten, so hätten wir uns den Gurt noch bedeutend fester schnüren müssen, anstatt daß wir jetzt gegen Hungersnoth gesichert." Wir holten darauf die Pferde in die Schlucht hinab, und begaben uns an die Arbeit, so viel Fleisch von dem Stier herunterzuschneiden, wie wir nur irgend unterbringen und mit uns führen konnten. An demselben Abend reisten wir noch einige Meilen und lagerten dann, wo wir etwas Futter für unsere Pferde fanden.
            Durch den neuen Vorrath von Lebensmitteln war unsere Noth indessen keineswegs gehoben, den sichtbar schwanden von Tag zu Tag die Kräfte unserer armen Thiere, und nur ganz kurze Strecken vermochten wir von einem Lager bis zum andern zurückzulegen. Immer drohender zogen sich die Wolken zusammen, und mehrfach fanden wir uns des Morgens mit einer Lage Schnee bedeckt, der zwar während des Tages wieder zerging, dafür aber den Boden aufweichte und unwegsam machte.
            Das erste Unglück ernsterer Art traf uns, als wir an einem sumpfigen Bach rasteten, um die Pferde zu tränken. Eins der Wagenpferde trennte sich nämlich bei dieser Gelegenheit von den übrigen und gerieth in eine morastige Pfütze, aus welcher wir dasselbe mit Aufbietung aller unserer Kräfte nicht wieder herauszubringen vermochten. Wir beschäftigten und mit demselben bis zum Einbruch der Nacht, und waren dann gezwungen, das arme Thier in seiner Qual hülflos liegen zu lassen. Eine schwache Hoffnung, dasselbe am folgenden Morgen vielleicht noch retten zu können, hielt uns ab, sogleich seinen Leiden ein Ende zu machen, und voller böser Ahnungen suchten wir die nächtliche Ruhe. Als wir bei Tagesanbruch in's Freie traten, lag tiefer Schnee; ich eilte sogleich zu dem verunglückten Pferde hin, und fand dasselbe, wie sich kaum anders erwarten ließ, todt und kalt; mit einem Seufzer wendete ich mich von dem armen Schimmel und schritt der Stelle zu, wo ich am Abend vorher unsere beiden letzten Pferde und den Maulesel hinter einer Gruppe dichten Gestrüpps untergebracht hatte. Den Esel erblickte ich zuerst, er war guter Dinge und nagte emsig an den jungen Weiden, auch der kleine indianische Pony, den der Herzog von einem Pelztauscher bei Fort Laramie erstanden hatte, schien in der winterlichen Nacht nicht sehr gelitten zu haben; als ich aber zu dem letzten Pferde hintrat, welches mich so manche Meile durch die Wüste getragen hatte, traf ich dasselbe zusammengekauert im Schnee liegen und todt. Ich konnte mich kaum einer Thräne erwehren, als ich den Verlust des treuen und stets freundlichen Reisegefährten erkannte, ich untersuchte das arme Thier und überzeugte mich leicht, daß es nicht durch die Wirkung des Schneesturmes, sondern in Folge des Tomahawk-Hiebes gestorben war, welchen ihm der verrätherische Kioway-Indianer beigebracht hatte.
            Niedergeschlagener als je verzehrten wir an diesem Morgen unser kärgliches Mahl; die Sonne blitzte auf der weißen Ebene und sah so freundlich auf uns nieder; doch sogar die Strahlen der Sonne brachten uns Verderben, denn von dem ungewohnten Schimmer entzündeten sich unsere Augen und in wenig Stunden waren wir Beide schneeblind, der Herzog auf beiden und ich auf dem linken Auge.
            Wir hatten zwar nicht vollständig den Gebrauch der leidenden Organe verloren, doch hing es wie ein schwarzer Flor vor unsern Blicken, so daß wir unfähig waren die Entfernung zu berechnen oder zu erkennen, die uns von den Gegenständen trennte. Der Herzog schrieb damals unsern unglücklichen Zustande der Wirkung von giftigem Holze zu, welches wir zufällig verbrannten und dessen Rauch zu einer Zeit unser kleines Lederzelt bis zum Ersticken angefüllt hatte, doch bin ich wirklich nicht im Stande genau anzugeben, was am meisten unsere Blindheit veranlaßte, ob nun das schimmernde Schneefeld oder der scharfe, ätzende Rauch.
            Wir befanden uns jetzt in der trostlosesten Lage; doch durften wir an jener Stelle nicht bleiben, indem es uns daselbst sowohl an Holz, als auch an trinkbarem Wasser fehlte. Wir machten uns daher, nach einer Rast von zwei Tagen, wieder reisefertig, spannten die beiden letzten uns gebliebenen Thiere vor den kleinen Wagen; der Herzog, der durch die Krankheit seiner Augen unfähig war, den Weg zu erkennen, setzte sich hinein, ich ging mit den Zügeln in der Hand nebenher, und so schleppten wir uns wieder einige Meilen auf dem morastigen Wege weiter. Als es dunkelte, hielten wir an und verbrachten die Nacht auf der kahlen Steppe, ohne andere Erwärmungsmittel als die, welche unsere Decken gewährten, und erinnere ich mich, daß wir trotzdem so fest schliefen, als ob es für uns weder Sorgen noch Gefahren gegeben hätte. Ich glaubte, es war ein Schlaf der Erschöpfung, denn an unsern krankhaften Zustand, so wie an den Gedanken: auf der Steppe unterzugehen, hatten wir uns schon zu sehr gewöhnt, als daß uns dergleichen auch nur eine halbe Stunde Schlaf hätte rauben können.
            Am meisten bedauerten wir die armen Thiere, und mit einem gewissen Wehgefühl spannten wir dieselben am folgenden Morgen vor den Wagen. Der Schnee war wieder verschwunden, doch eisig kalt heulte der Nordsturm über die verbrannte Wüste; tiefhängende Wolken trieben eilig gegen Süden, und matt zogen unsere Thiere ihre Last Schritt vor Schritt in derselben Richtung.
            Es war dieses der letzte Tag unserer Reise; der Weg führte größtentheils bergab, und diesem Umstande kann es vielleicht zugeschrieben werden, daß es uns gelang, noch vor Abend ein kleines Flüßchen, den Sandy hill creek, zu erreichen. Seit langer Zeit hatten wir keine Stelle gesehen, die sich so gut zu einem Lager eignete wie die bewaldeten und dabei tiefliegenden Ufer dieses Baches. Der Brand hatte dort große Flächen unberührt gelassen, wodurch wir hoffen konnten, unsere Thiere nicht nur am Leben zu erhalten, sondern auch im Verlauf von einigen Tagen ihre Kräfte etwas erfrischt zu sehen. Der Herzog entschloß sich daher, eine kurze Zeit am Sandy hill creek zu verweilen, und errichteten wir zu diesem Zweck an einer geeigneten Stelle das kleine indianische Zelt. Das Pferd und der Maulesel fanden ihr Unterkommen in einem geschützten Winkel des Waldes, und auf diese Weise für den Augenblick gesichert, verstrich uns die erste Nacht auf verhältnißmäßig erträgliche Weise. Am folgenden Tage begann es zu frieren, so daß wir uns kaum gegen die Kälte zu schützen vermochten, und einige Tage darauf stellte sich der Schneesturm mit all' seinen Schrecknissen ein. Unser letztes Pferd starb, die Wölfe zogen sich in Rudeln um uns zusammen, eine schmerzhafte Krankheit befiel uns Beide und machte uns fast unfähig zum Gehen und Stehen. In diesem gräßlichen Zustande suchten wir doch noch immer mit ungebrochener Energie und mit den letzten schwindenden Kräften für die Erhaltung des Lebens zu sorgen, und getreulich einander helfend und unterstützend, blieben wir nie ohne Feuer, Wasser oder Nahrung. Wenn nun auch im wachen Zustande die Willenskraft den Körper beherrschte, so sank er dafür während des Schlafes vollständig unter dem Druck der Krankheit dahin, und oft, oft weckten wir uns gegenseitig durch schmerzhaftes Stöhnen und unbewußtes Sprechen, welches doppelt grausig klang, wenn der Sturm wüthend an dem Zelt rüttelte und die hungrigen Wölfe uns heulend umkreisten.
            Den Aufenthalt am Sandy hill creek nenne ich die schrecklichste Zeit meines Lebens, denn nur wenig Tage noch blieb ich in der Gesellschaft des Herzogs. Der Zufall trennte uns, und mir war es vorbehalten, noch sechs Wochen an jener verhängnißvollen Stelle zuzubringen, sechs Wochen eines beständigen Kampfes gegen Krankheiten, Elemente, Menschen und Thiere. Wir retteten uns Beide auf verschiedene Weise und trafen später wieder in New-Orleans zusammen; die Wüstenreise hatten wir nicht vergessen, und sehr oft noch wurde das Lager am Sandy hill creek der Gegenstand unserer Unterhaltung.



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