BALDUIN MÖLLHAUSEN
TEXTE
Beschreibung der Reise mit Herzog Paul Wilhelm von Württemberg und die folgenden Erlebnisse. 9 Teile.

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Die "Emily-Affäre"

Der Text erschien unter der Bezeichnung:
Fortsetzung der Erzählung des Naturaliensammlers.
in
Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee. Eingeführt von Alexander von Humboldt.- Leipzig: Hermann Mendelsohn. 1858.


Kapitel XV, Seite 186

Eines Abends [...] sass ich in Belle Vue am oberen Missouri mit meinen Freunden Sarpy und Decatur vor dem flackernden Kaminfeuer; wir plauderten auf gemüthliche Weise über Dieses und Jenes, besonders aber über meine Abenteuer mit den Ottoes, die mir noch in frischem Andenken waren, weil ich mich erst seit kurzer Zeit unter dem gastlichen Dache des Herren Sarpy befand. Die Stube war ungewöhnlich leer, nur einige Indianer hockten in unserer Nähe, rauchten mit stoischer Ruhe ihre Pfeife und hatten dabei eine Miene angenommen, als ob sie jedes unserer Worte verständen. Ein bescheidenes Klopfen an der Thüre, etwas ganz Ungewöhnliches für die dortigen Verhältnisse, störte uns in unserer Unterhaltung; ich blickte neugierig hinüber, wo auf unser "Herein!" die Thüre sich leise öffnete und zwei Frauengestalten eintraten, die zu meiner grössten Verwunderung ihrer Kleidung nach keine Indianerinnen waren. "Guten Abend, Mrs. Alison! guten Abend, Amalie!" riefen meine Freunde den Eintretenden zu, indem sie ihnen höflich die nächsten Plätze am Kamin anboten. Der Gruss wurde freundlich erwiedert und nachdem ich ohne grosse Förmlichkeiten den beiden Fremden vorgestellt worden, setzte ich mich so ihnen gegenüber, dass ich ihre Physiognomien bei dem hellen Scheine des Feuers genau beobachten konnte, was mir, der ich so lange kein der Civilisation angehöriges Damenkostüm gesehen hatte, gewiss nicht verdacht werden kann. Ebenso wenig wird mich ein Vorwurf treffen, wenn ich zugebe, dass ich die jüngere der beiden Damen, die ich auf den ersten Blick für eine Halbindianerin erkannte, für mehr als hübsch hielt. War nun der Grund der, dass ich seit vielen Monaten das schöne Geschlecht nur durch unliebenswürdige Squaws vertreten gesehen hatte und eine so unvermuthete Erscheinung das Restchen Verstand, was mir die rasende Kälte noch gelassen hatte, vollends verwirrte, oder war das Wesen in der That ein indianisches Medizinmädchen, der widerstehen zu wollen, vergebliche Mühe gewesen wäre: genug, meine Herren, ich muss gestehen, die schöne Amalie hatte in der Geschwindigkeit einen so tiefen Eindruck auf mich gemacht, dass mir alle Lust zur Unterhaltung verging und ich das junge Mädchen ununterbrochen anstarrte, deren schwarze Augen dagegen mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Unschuld und Neugierde auf mir ruhten.
            Doch lassen Sie mich Ihnen vor allen Dingen die Beschreibung einer Schönheit des fernen Westens geben. Amalie Papin , die Tochter einer Papnee-Indianerin und eines Franzosen, der, beiläufig gesagt, mit Hinterlassung eines nicht unbedeutenden Vermögens schon vor Jahren zu seinen Vätern heimgegangen war, hatte das fünfzehnte Jahr noch nicht erreicht. Als kleines Kind war sie von einem Mr. Alison, der viel mit dem Stamme der Pawnees verkehrte, zeitweise bei demselben lebte und wirklich menschenfreundlich daselbst zu lehren und zu wirken strebte, angenommen worden. Mrs. Alison, eine Frau, die den gebildeteren Ständen angehörte, war ihrem Manne mit aufopfernder Liebe überallhin nachgefolgt, hatte Beschwerden und Unbequemlichkeiten mit ihm getheilt und der kleinen Halbindianerin zugleich mit ihren eigenen Kindern eine Erziehung angedeihen lassen, wie es ihr unter so schwierigen Verhältnissen nur immer möglich gewesen. Die natürlichen Anlagen des Kindes waren ihr dabei sehr zu Hülfe gekommen, weil sich dieses mehr zu den Sitten seiner Pflegeeltern, als zu den Gewohnheiten seiner mütterlichen Verwandten hingezogen fühlte. So war denn die junge Waise zu eine Jungfrau herangewachsen, die nun in aller Lieblichkeit neben ihrer Pflegemutter gerade vor mir sass. Ihr einfaches Kleid, nach amerikanischem Schnitte gearbeitet und eng an den Oberkörper anschliessend, liess eine Figur erkennen, an der auch nicht das Geringste zu wünschen übrig blieb. Die Bewegungen und der natürliche Anstand des jungen Mädchens waren so ungekünstelt, so zart und dabei doch so geschmeidig, dass ich kaum meinen Augen zu trauen vermochte, wenn ich auf die dunkle Gesichtsfarbe schaute. Auf dem schlanken Halse ruhte der reizendste Kopf, den man sich nur denken kann; pechschwarze Haare, die in zwei langen Zöpfen über die Schultern hingen, fassten ein rundes, broncefarbenes Gesichtchen ein, auf welchem sich ein so eigenthümlicher Liebreiz spiegelte, dass man die weisse Hautfarbe durchaus nicht vermisste und gar nicht darüber in Zweifel blieb, dass keine Farbe zu dem ganzen Bilde besser hätte passen können, als der dunkele Anflug, der die Haut wie Atlas schimmern liess und dennoch die sanfte Röthe der Wangen nicht gänzlich zu verdrängen vermochte. Die etwas vorstehenden Backenknochen verriethen die indianische Abkunft, ebenso der Schnitt der Augen, die gross und schwarz von langen Wimpern beschattet wurden. Ihr Mund war so wohlgeformt, so zierlich und so frisch, dass unserem Doctor bei dessen Anblick, trotz der sechs und zwanzig Jahre seines glücklichen Ehestandslebens, ganz gewiss das Blut rascher in den Adern gekreist haben würde, besonders wenn es das Mädchen gesehen hätte, indem sie sprach. Zwei Reihen der herrlichsten Zähne schimmerten wie ächte Perlen unter den rothen Lippen hervor, ihre Hände waren klein wie bei allen Indianerinnen, und ein Füsschen hatte sie, das ein Paar ihrer abgelegten Mokkasins verdient hätten, zur Weltausstellung nach London geschickt zu werden. Dieses war also Amalie Papin, die schöne Halfbreed, in die ich mich in der ersten halben Stunde verliebt hatte. Mr. Sarpy, den seine heitere Laune niemals verliess, hatte bald die lebhafteste Unterhaltung hervorgerufen; es wurde gelacht und gescherzt, ich selbst immerwährend mit in's Gespräch gezogen, doch wusste ich nie den Gegenstand der Unterhaltung festzuhalten, was übrigens sehr natürlich war, denn ich dachte an ganz andere Dinge, sah mich schon im Gedanken als den Helden eines Romanes, und malte mir die Ueberraschung der Bekannten und Verwandten in der Heimath aus, welche die Nachricht meiner Verheirathung mit einer indianischen Prinzessin bereiten würde. Natürlich regte sich sogleich der Wunsch in mir, ebenfalls einen guten Eindruck auf die schöne Halfbreed zu machen, und es entlockt mir noch immer ein Lächeln, wenn ich daran denke, zu welchen komischen Mitteln ich meine Zuflucht nahm, um meine eigene geliebte Person in vortheilhaftem Lichte erscheinen zu lassen.
            Ich freute mich innig, als ich bemerkte, dass Amalie mir einige Aufmerksamkeit schenkte; hätte ich aber damals ihre Gedanken errathen können, so würde meine Eitelkeit einen argen Stoss erlitten haben. Genirte sich doch später das unbefangene Mädchen nicht, mir mitzutheilen, dass ich furchtbar hässlich sei und mit den Haaren im Gesichte mehr einem Büffel, als einem Menschen gleiche. Glücklicherweise aber vermochte ich nicht in ihrem Herzen zu lesen, und in angenehmer Täuschung fuhr ich fort, Pläne für die Zukunft zu schmieden und mich den schönsten Hoffnungen hinzugeben. Der Abend verging auf diese Weise; spät erst kam Mr. Alison, um seine Damen abzuholen und nach ihrer Wohnung, die mit der Pawnee-Indianer-Agentur in Verbindung stand, zurückzuführen. Kaum waren wir wieder allein, als Mr. Sarpy mich folgendermassen anredete: "Wie finden Sie meine Nichte?" - "Also Ihre Nichte?" fragte ich zurück. "Ja, meine Nichte," erwiederte er, "und eine hübsche Nichte obendrein; der Vater des Mädchens war ein Verwandter von mir und ihre Mutter die Tochter eines grossen Häuptlings, ich habe gemerkt, dass sie Ihnen gefällt. Sie können sie heirathen, doch müssen Sie mir wenigstens zwanzig Pferde für meine Erlaubniss geben, ehe Sie sich von dem Missionair auf dem Berge, dem Herrn M. Kenney dürfen zusammenknüpfen lassen; denn da Amalie eine Christin ist, so wird sie sich wohl schwerlich zu einer indianischen Heirath verstehen wollen." Diese Worte waren freilich im Scherz gesprochen, doch merkte ich mir dieselben wohl, um später vielleicht noch einmal darauf zurückkommen zu können. Am folgenden Tage besuchte ich, wie sich von selbst versteht, die Familie Alison, die nur einige hundert Schnitte von unserem Etablissement in einem bequem eingerichteten Blockhause wohnte. Ich fand daselbst die freundlichste Aufnahme, so dass ich meinen Besuch öfter wiederholte und zuletzt fast täglich einsprach. Auch lernte ich dort eine Menge Pawnee-Indianer kennen, die einestheils ihren Freund Alison besuchten, anderentheils sich nach der jungen, blühenden Verwandten umsahen. Es war ein gemüthliches Leben in dieser Zeit; den Tag über malte ich auf indianische Weise Büffelhäute aus, in welcher Kunst ich es bald den geschicktesten Rothhäuten zuvor that und mir viel Geld von der Pelzcompagnie verdiente. Den Abend brachte ich dann gewöhnlich bei Mr. Alison zu, spielte mit den Kindern, erzählte von Europa und lehrte die schöne Amalie englisch schreiben, was ihr übrigens nicht ganz fremd war. Meine Absichten, das junge Mädchen zu heirathen, waren bald kein Geheimniss mehr und Jeder gratulirte mir zu der sehr vortheilhaften Partie, denn meine vermeintliche Braut galt für ein reiches Mädchen, weil von den Pawnee-Indianern allein sie schon eine gute Anzahl von Büffelhäuten bezog, die dort eben so gut wie baares Geld sind. Das einzige Ueble an der Sache blieb, dass die beiden Hauptpersonen noch nicht mit einander einig waren; ich selbst wäre gern einig gewesen, hätte mir sogar dem Mädchen zu Liebe mit Freuden den Schädel rasiren lassen und wäre indianischer Bürger geworden, aber sie wusste leider nicht, was sie wollte. Bald reichte sie mir ihre frischen Lippen zum Kusse entgegen, bald lief sie wie eine Antilope scheu davon, indem sie mir lachend zurief, ich sei ein hässlicher, weisser Mann, ein zweibeiniger Büffel. Solche Benennungen waren freilich nicht sehr schmeichelhaft, doch könnte ich nicht sagen, dass mir das Mädchen, die halb aus Verschämtheit, halb aus Muthwillen zusammengesetzt schien, weniger lieb geworden wäre; auch bin ich überzeugt, dass derjenige, welcher diese schöne Prairieblume später heimgeführt, eine brave Frau an ihr gewonnen hat, um so mehr als sie auch eine fromme, sittsame Christin war. Merkwürdiger Weise hegte ich damals gegen die Pawnee-Indianer, denen ich früher im offenen Kampfe gegenübergestanden hatte, die brüderlichsten Gesinnungen, weshalb ich bei der schönen Amalie der Lobeserhebungen über ihren Stamm kein Ende wusste, obschon ihr das ziemlich gleichgültig schien. Dass aber die Pawnees meine Gefühle nicht theilten, mich wegen meiner Liebe zu ihrer schönen Prairieblume noch im Geheimen hassten, wurde mir gelegentlich auf eine äusserst unzarte, wenn auch sehr deutliche Weise zu verstehen gegeben; möglich, dass auch etwas Eifersucht dabei mit im Spiele war. Doch hören Sie weiter. Als nämlich das Eis im Missouri aufzubrechen und zu treiben begann und die Niederungen an der Mündung des Papillon Creek überschwemmt wurden, war es eine meiner Hauptbeschäftigungen, Enten, Gänse, Schwäne, Pelikane und Kraniche zu schiessen, mit denen die seichten Gewässer förmlich bedeckt waren. Auf meinen Jagden begleiteten mich stets zwei junge Omaha-Burschen; sie waren Verwandte von Mr. Sarpy's Necoma und so treue, brave Jungen, als nur unter einer kupferfarbigen Haut gefunden werden können. Durch freundliche Begegnung hatte ich mir ihre ganze Zuneigung gewonnen, die sie mir auf alle nur denkbare Weise zu erkennen gaben. Ich brauchte nur meine Kugeltasche umzuhängen, so waren auch die beiden Brüder Hug-ha und Scha-gree-ga-gee mit ihren Karabinern auf der Schulter an meiner Seite. Ihre Gesellschaft behagte mir auf meinen Jagdzügen in doppelter Beziehung; einestheils war ich dadurch nie ohne eine treffliche Sicherheitswache, dann aber auch vertraten die gewandten Jungen die Stelle von Hühnerhunden, indem sie das von mir geschossene Wild trotz der Eisschollen aus dem Wasser holten. Eines Tages jedoch, als ich meiner beiden Indianerburschen nicht sogleich ansichtig wurde, machte ich mich allen auf den Weg, um wie gewöhnlich am Papillon zu jagen. Es waren vier Meilen bis dahin und vergnügt trabte ich über die Prairie, die mich von meinem schönen Revier trennte. Ich hatte einen glücklichen Tag gewählt, denn noch keine Stunde war ich am Wasser hinaufgegangen, als mein Gürtel keine Enten mehr zu fassen vermochte. Ich wollte einen Augenblick auf einem Steine ausruhen und war eben im Begriffe zu laden, als plötzlich ein Indianer vor mich hintrat und barsch Pulver und Blei von mir verlangte. Denselben Menschen hatte ich früher schon in Mr. Alison's Behausung gesehen und war damals gerade nicht sehr von deinem Benehmen gegen mich erbaut. Er verbarg nämlich den Verdruss nicht, den er empfand, als er meine Vorliebe für die schöne Halfbreed wahrnahm. Als nun der wilde Bursche, ein vollblütiger Pawnee, vor mir stand, erinnerte ich mich seiner ganz genau; ich drückte daher schnell Kupferhütchen auf die Cylinder und schlug dann seine unverschämte Forderung ab, indem ich ihm bedeutete, dass sein Bogen ganz gut ohne Pulver und Blei losgehe. Sein nochmaliges dringendes Verlangen hatte denselben Erfolg, worauf er sich von mir abwendete, einen englischen Fluch, eines der wenigen englischen Worte, die er verstand, mehrere Mal hinter einander ausstiess, langsam der dichteren Waldung zuschritt und bald meinen Augen entschwunden war. Ich legte meine Beute bei dem Steine, auf welchem ich gesessen nieder und begann meine Jagd von Neuem, wobei ich mich aber hütete, obgleich ich den Indianer nicht weiter fürchtete, beide Läufe meines Gewehres zu gleich abzuschiessen. Nach kurzer Zeit hatte ich abermals meinen Gürtel gefüllt; ich beschloss nunmehr mit der reichen Ladung heimzukehren und schlenderte langsam der Stelle zu, wo ich die zuerst geschossenen Enten niedergelegt hatte. Als ich den Stein erreichte, bemerkte ich, dass alle meine Braten spurlos verschwunden waren. Verwundert und argwöhnisch blickte ich umher, als plötzlich in dem Gesträuch, welches mich vom Papillon trennte, etwas an die Zweige schlug und in demselben Augenblicke ein Pfeil in meinem Schenkel haftete. Gedankenschnell legte ich mein Gewehr an und zwar nach der Gegend, aus welcher der Pfeil gekommen war. Der verrätherische Pawnee, ein anderer konnte es nicht gewesen sein, befand sich aber auf dem jenseitigen Ufer und ausser dem Bereiche meiner Macht, indem er sich so geschickt hinter umgefallenen Baumstämmen verborgen hatte, dass er mir unsichtbar blieb. Hinüberzugehen war mir nicht möglich; zudem musste ich mich beeilen, den Pfeil, der glücklicher Weise nicht weiter als bis auf den Knochen hatte dringen können, zu entfernen. Mit einem kräftigen Rucke riss ich die Waffe aus der Wunde, die alsbald reichlich zu bluten anfing. Diesen unbewachten Augenblick benutzte der schlaue Indianer, um aus seinem Verstecke zu gleiten und spornstreichs davon zu laufen; ich gab ihm aber einen Brief mit, an den er noch lange denken wird. Ich schoss zwei Ladungen groben Schrotes hinter ihm her und ob er schon leider weit von mir entfernt war, so bin ich doch überzeugt, dass ich einen glatten Rücken besser geschröpft habe, als unser Doctor jemals eine Patienten, ich müsste den die Wirkung meines Gewehres nicht kennen. Nachdem ich meine Wunde so lange mit eisigem Wasser gewaschen, bis das Blut zu fliessen aufhörte, nahm ich meine Beute, meine Waffen, so wie den auf mich abgeschossenen Pfeil und wanderte verdriesslich nach hause, freute mich aber im Stillen darauf, von der schönen Amalie über mein Unglück bedauert zu werden. Noch an demselben Tage setzte ich Hug-ha und Scha-gree-ga-gee von meinem Abenteuer in Kenntniss, welche mir mit ihrem natürlichen Scharfsinn und auf ihre eigene Weise den Vorgang erklärten. Sie sprachen sich dahin aus, dass mir der Pawnee keineswegs nach dem Leben getrachtet habe, indem er sonst, um die Wunde tödtlich zu machen, jedenfalls einen Pfeil mit Widerhaken gebraucht hätte. Ferner würde er sich gehütet haben, ein mit den Abzeichen seines Stammes verziertes Geschoss bei einem Morde zu wählen, indem es dadurch leicht geworden wäre, den Thäter zu ermitteln. Gern war ich bereit, den Fall für einen etwas derben Scherz zu halten, es war mir so am bequemsten, dann aber auch wollte ich es verhüten, neue Feindschaft bei Diesem oder Jenem des Pawnee-Stammes zu erregen. Ich gedachte der ganzen Geschichte nicht weiter, um so weniger als die Schramme mich nicht sehr belästigte und bald heilte. Von dem jungen Bösewichte habe ich nie wieder etwas gehört oder gesehen; indessen wurde ich durch dieses Ereigniss vorsichtiger und bin nie wieder ohne meine beiden jungen Freunde nach meinem Revier gezogen, wo ich vermuthen konnte auf die räuberischen Pawnees zu stossen.
            Thränen des Mitleids glänzten in den dunklen Augen der reizenden Amalie, als ich ihr von meiner Verwundung erzählte; wildes Feuer sprühten ihre Blicke, als ich des verrätherischen Iindianers gedachte. Ich glaube, das zarte Mädchen hätte ihm in diesem Augenblicke, wenn er vor ihr gestanden, ein Messer in die Brust gestossen. Der Sturm legte sich indessen wieder und bald führten wir wie früher unsere harmlose Unterhaltung, die fast durchgängig meine ferne Heimath betraf, wohin ich die junge Indianerin, nach Anhäufung eines beträchtlichen Vermögens, mitzunehmen beabsichtigte. Es waren phantastische Träume, denen man in solcher Lage nur zu gern nachhängt, ohne zu ahnen, das man in späteren Jahren an die Schwachheiten des Jugendalters wie an krankhafte Spiele der Einbildungskraft zurückdenken wird. Wie im Fluge gingen mir unter so angenehmen Verhältnissen die Tage dahin; wieder im sollen Besitze meiner eisernen Gesundheit und eines ungeschwächten Körpers, dachte ich aber auch daran, meine äussere Erscheinung einnehmender werden zu lassen. Die geübtesten Squaws wurden in Thätigkeit gesetzt und mussten ihre Kunstfertigkeit zeigen; in kurzer Zeit war meine Lederbekleidung von dem runden Hut auf meinen geölten, buschigen Haaren bis zu den weichen Mokkasins an meinen Füssen mit den schönsten Stickereien und fransen besetzt. Meine Waffen, Kriegsbeil und Messer, die ich stets in einem von Amalie zierlich gearbeiteten Gürtel trug, waren reich mit Messingnägeln beschlagen, kurz Nichts, was dort zum Putze dient, hatte ich ausser Acht gelassen, und wenn ich nicht das war, wofür ich mich damals hielt, nämlich unwiderstehlich, so war es nicht meine Schuld. Immer mehr beruhigte ich mich darüber, dass mir die Rückkehr in meine Heimath abgeschnitten war, denn die zwei Jahre meines Urlaubes hatten schon längst ihr Ende erreicht. Es blieb mir also weiter nichts übrig, als in der Heimath für todt zu gelten und inzwischen in den steppen den Büffel zu jagen, eine Beschäftigung, die mir aus verzeihlichen Gründen allerdings annemlicher schien. Als zu Hause für ein unverschuldetes Versehen mich einer harten Strafe unterwerfen zu müssen. Die Jagd blieb immer meine Hauptbeschäftigung; ich arbeitete wenig aber verdiente viel Geld, was mir jedenfalls lieber war, als wenn ich viel gearbeitet und wenig verdient hätte. Ernstlich begann ich daran zu denken, ein bestimmtes Geschäft anzufangen und mich am Missouri häuslich niederzulassen.
[...]

Ich dachte also ernstlich daran, mich an den Council Bluffs häuslich niederzulassen und trat deshalb mit dem Mr. Sarpy in Unterhandlung, dem es besonders lobenswerth erschien, dass ein Mann von 24 Jahren damit umgehe, sich eine Lebensgefährtin zu nehmen. Nach seiner Ansicht verdiente ein verheiratheter Mann mehr Credit als ein Junggeselle, worin er übrigens nicht Unrecht hatte, und wenn er mich auch nicht zu diesem Schritte aufmunterte, so bot er mit doch auf die freundlichste Weise seinen Beistand an, um mich in eine solche Lage zu bringen, dass ich mit Ruhe in die Zukunft sehen, zugleich mich aber auch der Pelzcompagnie nützlich machen könne. Nun muss ich aber vor allen Dingen einige Bemerkungen über die Beschaffenheit der Ländereien am Missouri einschalten, um auf leichtere Weise das Eigenthümliche der dortigen Verhältnisse in meine Geschichte verflechten zu können. Die Entfernung von der Mündung des Nebrasca oder flachen Flusses bis nach Belle Vue an der südlichen Spitze der Council Bluffs beträgt 10 bis 12 Meilen. Genau in der Mitte zwischen diesen beiden Punkten liegt eine Insel im Missouri, die 4 Meilen im Umfange hat und grösstentheils mit Weiden, doch auch mit Birken und einzelnen Eichen bewachsen ist, in deren Schatten ebenso wie auf den Lichtungen fettes Gras um Ueberfluss wuchert. Nach den Bäumen zu urtheilen, kann diese Insel kaum älter als siebenzig Jahre sein; erst um diese Zeit begann sie, den Wasserspiegel zu überragen. Der unruhige Strom, der bei hohem Wasserstande Unmassen von Treibholz, Schlamm und Sand mit sich führt, hat fortwährend einen Tribut an der entstehenden Insel zurückgelassen und dieselbe allmälig bis zu dem jetzigen Umfange vergrössert. Er setzt noch heute unermüdlich diese Arbeit fort, bis er endlich eine Biegung oberhalb Belle Vue gänzlich wird fortgerissen haben, dann aus leicht erklärlichen Ursachen mit ganzer Kraft seinen Hauptcanal an der Ostseite der Insel vorbeiwühlt und den westlichen Canal verstopft, so dass die Insel dem Festlande einverleibt wird. Viele Jahre mögen darüber hingehen, ehe es wirklich so weit kommt, doch kann ein Zweifel darüber, dass es geschehen wird, kaum obwalten, da Beweise genug vorliegen, dass der Missouri sein Bett in dem Thale der Council Bluffs, welches 6 Meilen breit ist, fortwährend gewechselt hat, vor Zeiten die felsigen Hügel, an denen sich noch lange See'n hinziehen und von deren Fuss er jetzt mehrere Meilen entfernt dahin fliesst, bespülte, das jenseitige Ufer unterwühlt und alljährlich grosse Strecken desselben mit fortreisst. Mr. Sarpy hatte also diese Insel zu seinen besonderen Zwecken ausersehen und mir zu meiner Residenz bestimmt.
            Neben seinem Tauschgeschäft hatte er nämlich noch Viehzucht getrieben und es in einer Reihe von Jahren zu einer ansehnlichen Heerde gebracht. Den Winter hindurch wurde diese in der Nähe des Forts gefüttert und im Frühjahre, kurz vor den Brechen des Eises, nach der fetten Insel hinüber getrieben, wo sie dann bis zum nächsten Zufrieren des Missouri bleiben musste. Mancher junge Stier wurde indessen von räuberischen Indianern auf der Insel geschlachtet, um demnächst in die rauchigen Wigwams zu wandern, wo dergleichen Leckerbissen von allen Bewohnern willkommen geheissen und schleunigst verschlungen wurden. Diesem Unwesen so viel als möglich zu steuern war nun Mr. Sarpy's Plan; er machte mir zu diesem Zwecke Vorschläge, die mir zu annehmbar schienen, als dass ich sie hätte zurückweisen mögen. Er setzte mich von seinen Absichten ungefähr auf folgende Weise in Kenntniss: "Ich werde Ihnen ein kleines Blockhaus mitten auf der Insel auf dem höchsten Punkte errichten, in welchem Sie mit Ihrer Amalie oder so vielen Squaws wie sie zu heirathen belieben, bequem wohnen können. Ein leichtes Canoe sollen Sie ebenfalls erhalten, in welchem Sie sich nach Belle Vue rudern können, um sich dort mit Lebensmitteln und sonstigen Bedürfnissen zu versehen. Dafür nun, dass Sie auf der Insel wohnen, dieselbe beschützen und diebische Absichten der Indianer zu verhüten suchen, werde ich Ihnen ein gewisses jährliches Einkommen sichern, welches Sie ganz bequem durch Malen von Büffelhäuten verdoppeln können. Mit Waffen müssen Sie natürlich reichlich versehen sein, auch werde ich Ihnen noch einige meiner besten Hunde geben, von denen sie einen an Ihre Thüre ketten, die anderen aber frei umherlaufen lassen. Die etwaige Annäherung von Indianern werden die umherstreifenden Hunde wittern und durch Heulen verrathen, worauf Sie den zurückgebliebenen von der Kette lösen, um ihn als Wegweiser gebrauchen zu können; er wird Sie zu seinen Kameraden führen und es Ihnen bedeutend erleichtern, die Indianer am Landen zu verhindern. Diesen Zweck zu erreichen wird übrigens meist Ihr blosses Erscheinen genügen, und im schlimmsten Falle haben Sie ja Ihre Büchse; das Vieh wird dann unter Ihrer Aufsicht vor fremden Eingriffen gesichert sein und gedeihen, und die Tage werden Ihnen in Ruhe und Zufriedenheit dahin gehen. Ausserdem haben Sie auf der Insel Fischfang und eine herrliche Jagd, denn Tausende von Wasservögeln bedecken fortwährend das stehende Wasser auf jener Seite der Sandbänke." - "Ich gehe unbedingt auf den Vorschlag ein," antwortete ich dem Mr. Sarpy, "ein solches Robinson-Leben habe ich mir schon lange gewünscht, das einzige Bedenkliche an der ganzen Sache scheint mir, dass, wann es erst ruchbar wird, dass ich einige Rothhäute erschossen habe, die Freunde der Erschlagenen sich gegen mich verbinden, mich eines guten Tages überfallen und um sich zu rächen, mich sammt meiner Frau oder meinen Frauen, todt schlagen und skalpiren werden." - "Sollte Ihnen eine solche Gefahr drohen," unterbrach mich Mr. Sarpy, "dann bitte ich Sie dringend, wehren Sie sich so lange, als Sie nur ein Glied rühren können, und ich verspreche Ihnen auf meine Ehre," setzte er scherzhaft hinzu, "dass, wenn Sie skalpirt werden, die Insel, so lange die Welt steht, Ihren Namen tragen soll." - "Bravo!" rief ich aus, indem ich in die dargebotene Rechte einschlug, "ich siedle mich auf der Insel an, mag auch kommen was da wolle, mögen Sie nur nie Veranlassung finden, meinen ehrlichen Namen auf die Insel zu übertragen." Die schöne Halfbreed war aber nichts weniger als geneigt, so in der Abgeschiedenheit zu legen und erklärte rund heraus, dass sie mir nie dorthin folgen würde. Meine Drohung, mir eine Anzahl Squaws zu Frauen zu nehmen, schreckte sie nicht, im Gegentheil wir zankten uns und vertrugen uns wieder, wobei ich genöthigt war, viele gute Worte zu geben. Ich hoffte aber im Stillen noch immer, das junge Mädchen meinen Wünschen nachgiebig zu machen und berührte diesen Punkt absichtlich auf lange Zeit nicht wieder.
            Das letzte Eis war inzwischen von den trüben Fluthen des Missouri fortgerissen und dem Mississippi zur Weiterbeförderung oder Auflösung übergeben worden, die Knospen an den Bäumen fingen an zu schwellen, schaarenweise zogen die gefiederten Wanderer gegen Norden, schaarenweise versammelten sich die Auswanderer, die nach dem Utah-See oder Californien zu ziehen beabsichtigten, in der Nähe von Belle Vue. Auch in mir regte sich eine unwiderstehliche Reiselust. Mit Wehmuth beobachtete ich die fröhlichen Abenteurer, wie sie umsichtig ihre Vorbereitungen zur Reise durch die Steppen trafen und blickte trübe zu den Vögeln hinauf, die jauchzend über mir hinzogen. Ihr schriller Ruf drang mir in's Herz. Ich wäre ihnen so gern gefolgt! Ich gedachte meiner einsamen Insel, ich gedachte meiner goldenen Freiheit, die ich auf derselben zu vergraben im Begriffe stand, ich gedachte der grossen und herrlichen Welt, die ich so gern nach allen Richtungen durchwandert hätte, und zum ersten Male wurde ich in meiner Liebe zur schönen Amalie wankend. Um meine Zweifel auf's Höchste zu steigern, gesellten sich hierzu noch vortheilhafte Anerbietungen, die mir von einigen begüterten Mormonen gemacht wurden. Es lag nämlich im Plane der Angesehensten der in Belle Vue gelagerten Karawane, mich als Büffeljäger anzuwerben. Sie boten mir hohen Lohn, doch blieb ich standhaft; sie eröffneten mir die schönsten Aussichten für die Zukunft, ich weigerte mich aber fortwährend; selbst ihre allerliebsten Mädchen, theils Schwedinnen, theils Irländerinnen, vermochten nichts über mich. Wenn die hübsche Amalie mit mir gezogen und Mormonin geworden wäre, hätte ich mich vielleicht bereden lassen. Doch schien diese eine besondere Scheu vor der neuen Sekte zu haben, so wie es auch mir gar nicht in den Sinn kam, der Religion, in welcher ich erzogen worden, zu entsagen. "Sie sollen sich ja nicht zu unserem Glauben bekehren," sprach ein alter Mormone zu mir, "Sie sollen uns nur Dienste leisten, wofür wir Sie bezahlen. Sie kennen die Strasse bis zu den Rocky Mountains und werden uns also leicht die vortheilhaftesten Lagerstellen bezeichnen können, ausserdem wollen wir Ihnen jeden Büffel, den Sie schiessen, redlich abkaufen und Ihnen im Voraus unser bestes Jagdpferd geben." Das war ein verlockender Vorschlag für einen leidenschaftlichen Jäger, ich betrachtete das schöne Pferd, dessen Glieder zum Wettlauf geschaffen schienen, schwang mich hinauf, legte die Mündung meiner Pistole zwischen seine Ohren und drückte los; nur durch Kopfschütteln gab das edle Thier seine Unzufriedenheit über mein Verfahren zu erkennen, und im Uebermass meiner Freude über das vortreffliche Büffelpferd rief ich den Verführern zu: "Ich werde mir die Sache überlegen!" Als ich heim ging, war ich so rathlos wie ein kleines Kind; ich konnte nicht umhin mich über die Schlauheit und Menschenkenntniss der Mormonen zu wundern, die durch ein gutes Pferd das bei mir erreichten, was Geld und gute Worte nie bewirkt haben würden. Ich verglich in Gedanken das einförmige Dasein auf der Insel mit dem wechselvollen Leben auf einer Reise durch die Steppen, ich verglich Mr. Sarpy's buntscheckige Kühe mit dem zottigen Bison, und nie verspürte ich weniger Lust mich anzusiedeln wie in diesem Augenblicke. Ich bin noch zu jung, flüsterte ich mir zu, um mich vor mir selber zu entschuldigen, auch Amalie ist noch zu jung zum Heirathen, fuhr ich fort zu philosophiren, ich werde den gordischen Knoten mit einem Hiebe trennen und weiter ziehen. O, wie recht hatte Mr. Sarpy, als er sagte: Ein verheiratheter Mann verdient mehr Credit als ein Junggeselle!
            Meine einzige Sorge war nur, auf welche Weise ich am besten mit der Aenderung meiner Pläne würde hervortreten können; doch half mir der Zufall auch dies Mal. Ich hatte nämlich gleich nach meiner Ankunft in Belle Vue mehrere Briefe durch Indianer den Missouri hinuntergeschickt, von denen einer denn auch glücklich fort Independence und später seinen Bestimmungsort St. Louis erreicht hatte. In Folge dessen erhielt ich nun endlich nach drei Monaten, gerade in dem Augenblicke als ich am wenigsten daran dachte und dennoch am meisten dessen benöthigt war, Nachricht von meinem früheren Reise- und Leidensgefährten, der inzwischen glücklich New-Orleans erreicht und längst alle Hoffnung auf mein Wiedererscheinen unter den Lebenden aufgegeben hatte. Der Brief schloss mit folgenden Worten: "Nehmen Sie das erste Dampfboot, welches den Missouri hinuntergeht und kommen Sie nach New-Orleans, wo ich Sie erwarten werde!" Ausserdem waren noch Creditbriefe mit eingeschlossen, so dass meiner Abreise nichts mehr im Wege stand, zumal das Dampfboot, welches mir die Nachrichten überbracht hatte, am andern Morgen die Rückreise antreten sollte. Ohne mich weiter um die Mormonen zu kümmern und jetzt nur an die tropische Louisiana und an die Krokodiljagd in den Atacapas denkend, eilte ich, Mr. Sarpy sogleich von Allem in Kenntniss zu setzen und war erfreut darüber, dass er durchaus meine Meinung theilte und für eine schnelle Abreise war. Nachdem ich dann in aller Hast meine Angelegenheiten geordnet, ging ich hinüber zu Mr. Alison, um daselbst noch einige Stunden zuzubringen und dann vielleicht auf ewig von meiner indianischen Liebe Abschied zu nehmen.
            Alles ging leichter, als ich geglaubt. Den Brief in der Hand trat ich ein, erzählte von der bevorstehenden Trennung und, wie ich glaube, mit einem recht verlegenen Gesichte. "O, wie froh bin ich!" rief mir Amalie mit dem unverkennbarsten Ausdruck liebenswürdiger Fröhlichkeit zu, "ich hatte schon grosse Furcht, mit nach der Insel ziehen zu müssen!" - "Wenn ich aber wiederkomme?" fragte ich, etwas betroffen. "Wenn Sie wiederkehten," antwortete die Halfbreed, "und sind noch nicht verheirathet und ich bin noch frei, dann ist ja noch immer Zeit genug, Hochzeit zu machen." - "Das soll ein Wort sein!" rief ich nun ebenfalls fröhlich aus, indem ich ihr die Versicherung gab, dass sie das beste Mädchen auf Gottes Erdboden sei. Ich kann aber nicht verhehlen, dass es mich innerlich dennoch ärgerte, statt einer sentimental rührenden Scene die grösste Heiterkeit in dem ganzen Familienkreise verbreitet zu sehen.
            Das Dampfboot, auf welchem ich mich einschiffen wollte, war ein äusserst zerbrechliches und fast ausgedientes, weshalb der Capitain desselben in St. Louis ein Musikchor für die Reise angeworben hatte, das an jedem Landungsplatz aufspielen musste, um Passagiere anzulocken. Es ist dies eine der gewöhnlichen Speculationen: die sich darauf stützen, dass die Besucher des fernen Westens in den meisten Fällen lieber auf einem schlechten Dampfboote mir Musik für einen hohen Preis als auf einem neuen ohne Musik für geringere Bezahlung reisen. Zufällig waren die Spielleute Deutsche, die ich durch gute Getränke, an denen auf den Dampfern nie Mangel ist, in eine so fröhliche Stimmung versetzte, dass sie sich willig finden liessen, der liebenswürdigen Indianerin des Abends ein Abschiedsständchen zu bringen. Unter Jubel sagte ich darauf Allen ein herzliches Lebewohl, zerdrückte eine Thräne in meinen Augen, als ich Amalien den letzten Kuss gab und eilte nach dem Landungsplatze, wo ein Haufen Omaha-Indianer das grosse feuerspeiende Canoe betrachtete. Da war Ongpa-tonga, der grosse Hirsch, Oha-ginga, der kleine Koch, da war die weisse Kuh, der gelbe Rauch und noch viele andere der Omaha-Aristokratie; ich umarmte und küsste mich so lange mit den nackten Kriegern herum, bis ich von ihren Farben so bunt wie ein Specht wurde. Alles bereit! rief der Steuermann von seinem erhabenen Sitze; Alles bereit! antworteten Decatur und seine Leute am Ufer; mit zwei Sätzen war ich an Bord, die Glocke läutete, die Klingel schellte, die Räder schlugen die sandigen Wasser zu Schaum und bald war des Boot in der Strömmung des Flusses und trieb lustig den Missouri hinunter. Ich stand noch lange auf dem Verdeck und blickte nach Belle Vue hinüber, wo sich glänzende Gestalten von Indianern um ein hell loderndes Feuer bewegten. Schnell glitt der schnaubende Dampfer an meiner einsamen Insel vorüber, und wie ein schwarzer Vorhang in der dunkeln Nacht trat diese vor die fernen Lichter, welche mir noch immer den Ort bezeichneten, so ich so viele Freunde und meine indianische Liebe zurückgelassen hatte. Ich nahm nichts weiter von dort mit als eine Erinnerung für's ganze Leben, eine Erinnerung an fröhliche glückliche Tage.



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