BALDUIN MÖLLHAUSEN
GEDICHTE:
In dem Lande der Dakotahs

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BILDER AUS DEM REICHE DER NATUR. VON BALDUIN MÖLLHAUSEN.- BERLIN: DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN). 1904.


In dem Lande der Dakotahs,
Wo der Nordarm des Nebraska
Still umschleicht die mächt'gen Scottbluffs,
Damals noch des zott'gen Bisons
Ungezählte schwarze Herden
Träge schritten nach den Tränken,
Um im Flußschlamm sich zu wälzen,
Wo der Ziegenmelker klagend
Whip-poor-Will rief durch die Klüfte
Und der graue Bär sich nährte
Von der süßen Frucht der Ceder:
Dort im Lande der Dakotahs,
In dem Land der Jugendträume,
Stand ich hoch auf gelber Klippe.

Unten glänzten Sioux-Zelte
In dem Abendschein der Sonne.
Um die Feuer emsig regten
Braune Weiber sich und Kinder.
Männer lagerten im Kreise
Und den Kalumet man reichte -
Drinnen glimmten Sumachblätter -
Feierlich von Hand zu Händen.
Abseits weideten die Pferde,
Manche rasteten gesättigt.

Friede herrschte aller Enden,
Holder Friede auf der Prärie
Unabsehbar grün und duftig;
Frieden lächelte der Himmel,
Zart geschmückt mit Abendpurpur.
Frieden hauchte selbst die Brise,
Die mir fächelte die Schläfen.

Und ich atmete mit Wollust
Jene reine Luft der Berge.
Weiter dehnte sich die Brust mir
Und das Blut, es wallte heißer
Durch die jugendfrischen Adern,
Als ich spähte traumverloren
Bis zur Grenze, wo die Prärie
Mit dem Himmelsdom sich einte.
Was ich aber dachte, fühlte,
Was den Pulsschlag trieb zur Eile:
Alles ward zu Jubelgrüßen,
Die begeistert ich entsandte,
Hin so weit das Auge reichte.

So ward ewig unvergessen
Jener milde Zauberabend;
Unvergessen, wie die Bilder
Der Natur, die einst gesammelt
Unermüdlich und bedachtsam,
Zu belehren reif're Jugend,
Zu erfreuen ernstes Alter.

Jahre sind seitdem entschwunden,
Über fünfzig lange Jahre.
Was einst Poesie der Wildnis:
Bisonherden, braune Jäger,
Lust'ger Ritt auf Tod und Leben,
Ist verwandelt und zerstoben
Vor dem Hauch des Eisenrosses,
Feuer fressend, Funken schnaubend.

Auch die Menschen jener Zeiten,
Insoweit sie's überlebten,
Sind dieselben nicht geblieben.
Schnee mit jedem Jahr sich senkte
In den Bart und auf das Haupthaar.
Träger wallet in den Adern
Jetzt das Blut, das abgekühlte.
Ernste Ruhe trat an Stelle
Einst'gen wilden Vorwärtsstürmens.
Wehmutsvoll die Blicke schweifen
Ueber längst vergang'ne Tage.
Auch nach vorne, wo verlockend
Nach des Lebens Müh' und Arbeit,
Eines Lebens, lang und köstlich,
Grüßet jene süße Ruhe
Der "Glücksel'gen Jagdgefilde".


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