"Dahin, dahin!"
Balduin Möllhausen über seine Motive und Erinnerungen.

(Der Text erschien als Kapitel 20 des Romans "Der Kesselflicker.- Berlin: Hausfreund-Expedition. (1871)" mit der Überschrift "Oratio pro domo".)


Welch geheimnißvoller Zauber liegt in der Bezeichnung: "Prairie!"
      Wer ihre Reize und Schrecken, sei es als forschender Reisender oder ein mühseliges Gewerbe verfolgender Jäger und Pelztauscher, kennen lernte; wer in den von ihr gebotenen abenteuerlichen Genüssen bis zum Uebermaß schwelgte, oder im Kampfe gegen die wilden Bestien, gegen die noch wilderen Eingeborenen, gegen Hunger und Durst und die in den unabsehbaren Grasfluren doppelt furchtbar rasenden Elemente und vernichtenden Naturscenen mit genauer Noth dem Verderben entrann, der nahm Erinnerungen mit sich fort, die niemals bleichen. Im Gegentheil, dieselben erhalten mit jedem neuen entschwundenen Jahre lebhaftere Farben und vermögen sogar noch dem Greise, der zitternden Hauptes dem Grabe zuwankt, die Röthe des Enthusiasmus in die bleichen Wangen und Thränen der Wehmuth in die Augen zu treiben.
      O, die liebe Erinnerung an jene Zeiten, in welchen man keinen anderen Herrn über sich anerkannte, als denjenigen, welcher die Prairie mit Allem, was sie belebte, schuf und schmückte! Jene Zeiten, in welchen man mit demselben Trotze dem erstarrenden Schneesturm, wie dem entsetzlichen, mit Windeseile einhertobenden Flammenmeere, dem listigen rothhäutigen Feinde, wie dem grimmigen, in die Ebene herabgestiegenen Gebirgsbären begegnete! Das Herz, wie schlägt es schneller bei solchen Erinnerungen, und wie erweitert sich die Brust! Man möchte sich hinaufwünschen bis in die Wolken und höher noch, weit höher, um die alten vertrauten Jagdgründe, vom beeisten Norden bis hinunter zum blauen Golf von Mexico, von dem träge einherrollenden Mississippi bis an die lange Kette der Rocky Mountains mit einem einzigen Blicke zu umfassen! Man möchte wachsen mächtiger und mächtiger, um endlich das Haupt zu rasten auf dem schneegekrönten Pic von Laramie, während die gelben Fluthen das Missouri den müden Fluß bespülen; um die eine Hand schirmend zu legen auf das Quellgebiet des Yellow-Stone, und die andere auf die von der Sonne versengten Grassteppen von Texas. Man möchte zurückscheuchen die unaufhaltsam vordringende Woge der Civilisation, hinter welcher spurlos verschwinden der zottige Bison und der braune Jäger, welche man kühn die Poesie des "fernen Westens" nennen möchte!
      Und wie lange wird es dauern, bis die Prairie, wie die alten Jäger sie einst kennen lernten, nur noch in Reiseberichten und Schilderungen lebt? Ein Schienenweg, welcher, ähnlich einer mächtiges Leben bergenden Pulsader, bald genug neue Adern und Aederchen nördlich und südlich entsendet, um endlich, wie ein eisernes Netz die unabsehbaren Grasfluren zu bedecken, durchschneidet sie bereits in ihrer ganzen Breite. Was jetzt aber noch die Prairie spärlich belebt, das ist nicht geeignet, zwischen eisernen Maschen und Gitterwerk zu athmen; die Freiheit der Bewegungen bedeutet ihm Dasein; dahin sinkt Alles, dem auf solche Weise das Leben unterbunden wurde.
      Soll man nun jubeln über den Triumph, welchen die Gesittung feierte, indem sie Alles, was sie auf ihrem Wege hinderte, unbarmherzig in den Staub trat, oder soll man trauern über das Verlorene? Die Gesittung hat ihre heiligen, unveräußerlichen Rechte, und in ihren Spuren schwingen sich Nationen zu Freiheit und Wohlstand empor. Wohl aber mag es dem Wanderer jener Region verziehen sein, wenn er, Angesichts der Zerstörung dessen, was ihn einst entzückte, berauschte, trauernd das Haupt neigt und durch Wort und Schrift die Bilder, welche noch immer seinem geistigen Auge vorschweben, vor dem gänzlichen Versinken in Vergessenheit zu bewahren sucht. Und gibt man sich einer solchen Aufgabe mit ganzer Seele hin, o, wie erscheint dann die Sprache so arm! Warum gestattet sie nicht, vor die empfänglichen Gemüther Scenen hinzuzaubern, welche sich wenigstens der Wirklichkeit nähern? Warum ist es dem Sterblichen nicht vergönnt, seinen Mitmenschen durch das eigene Auge zurück in die Vergangenheit schauen zu lasse, ihm zu zeigen, was sich mit unauslöschlichen Farben dem Gedächtniß einprägte?
      Wenige sind es heute nur noch, verhältnißmäßig sehr Wenige, die ihre Umgebung, so weit die Blicke in den ununterbrochenen Ebenen reichten, von grasenden Büffelheerden geschwärzt sahen; noch Weniger, die behaupten dürfen, da den ersten Bison gefällt zu haben, wo sich heute eine Eisenbahnstation erhebt, und da die Namen aufblühender Städte verzeichnet finden, wo sie einst, ähnlich dem aus sicherem Hafen auslaufenden Seefahrer, sich in das Grasmeer hineinwagten und jede Verbindung mit der civilisirten Welt hinter sich abschnitten. Die Hundert und Hunderte von Meilen, welche heute zu durchfliegen der Reisende nur Tage gebraucht, sie legten dieselben unter verschiedenen Breiten zurück, allein sie sahen auf jeder einzelnen Fahrt das liebliche Frühlingsgrün keimen, den Sommer die zahllosen Blumenfamilien entfalten, den herbstlichen Höhenrauch über die gedörrten Fluren dahinziehen und den Winter endlich das letzte sich noch im Verborgenen regende organische Leben erstarren und unter einer tiefen Schneedecke begraben!
      Und weiter: Wie Wenige sind es nur noch, und wie bald werden auch diese verschollen sein, die den westlichen Eingeborenen kennen lernten, als noch stolzes Selbstbewußtsein auf seinen kriegerisch bemalten Zügen ruhte, die noch nicht durch eingeführte Krankheiten und giftiges Feuerwasser gelichteten Stämme den Charakter wirklicher Nationen trugen und eine gewisse Romantik darin lag, im Kreise muthiger brauner Krieger und großer Häuptlinge den mit süß duftendem Kraut gefüllten Kalumet zu rauchen, oder vereinigt mit ihnen dem klugen Biber nachzustellen und den wilden Cinnamon-Bären zu bekämpfen!
      Dahin, dahin! Wie schon jetzt in den östlichen Staaten die letzten Ueberbleibsel der untergegangenen Nationen - so weit sie sich nicht dem Ackerbau zuwendeten - familienweise bettelnd und marodirend, ähnlich den über Europa zerstreuten traurigen Resten des Volkes der einst so mächtigen Abencerragen, das Land durchstreifen, nur durch die Hautfarbe an ihre kriegerischen Vorfahren erinnern und bei dem träge denkenden Beobachter schwere Vorurtheile, sogar unbesiegbaren Widerwillen erwecken, so werden binnen absehbarer Frist auch die letzten Indianer der Steppe und der Rocky Mountains verachtet und verhöhnt von Thür zu Thür wandern, um ihr elendes Dasein von den Abfällen des Ueberflusses der Weißen zu fristen. Sie werden verspottet und mit Füßen getreten werden; man wird an ihnen rächen, daß ihre Väter, zu stolz, um sich der ihnen entehrend erscheinenden Feldarbeit zu unterwerfen, die an ihnen begangenen tausendfältigen Unbilden durch Raub, Mord und Brand vergalten.
      Auf den Trümmern untergegangener Geschlechter gelangen neue Völker zu Wohlstand und Reichthum; so lehrt die Geschichte seit Tausenden von Jahren. Doch wenn in den alten Erdtheilen Jahrhunderte dazu gehörten, eine solche Wandlung zu vollziehen, so sind auf dem nordamerikanischen Continente in dem angedeuteten Falle kaum ebenso viele Decennien erforderlich. Von begabten Händen aufgezeichnete Nachrichten über die Völkerschaften der Alten Welt konnten im Laufe der Zeit vervollkommnet und nach allen Richtungen hin in den verschiedensten Formen ausgebeutet und verarbeitet werden. Die Geschichte der nordamerikanischen Eingeborenen wird dagegen immer eine verschwindend kurze bleiben. Einestheils bietet ihre Culturstufe zu wenig, anderntheils hindern bestehende Vorurtheile und eine aus mißlichen Verhältnissen hervorgegangene Abneigung Manchen, sich eingehender mit ihnen zu beschäftigen. Es bleibt daher denjenigen, welche sich unter sie mischten und neben der Büchse den Zeichenstift und die Feder führten, vorbehalten, wenigstens einen Bruchtheil ihrer Geschichte, wenn auch größtentheils nur in das Gewand romantischer Erzählungen gekleidet, für spätere Zeiten zu retten.
      Massenhaft erscheint, was binnen weniger Jahren über den fernen Westen geschrieben und gedichtet wurde. Das der Oeffentlichkeit Dargebrachte wuchs um so schneller, als gar Viele, beseelt von dem redlichsten Willen und berauscht von den ihrem Geiste vorschwebenden Bildern, sich an Schilderungen wagten, bei welchen sie sich ausschließlich auf ihre Phantasie und die Mittheilungen Anderer stützten. Ein gewisser Werth kann solchen Arbeiten ebenso wenig abgesprochen werden, wie Werken, deren Erzeuger ins graue Alterthum hinabsteigen, um dort ihren Stoff zu suchen. Hier wie dort bestimmt die Begabung des Meisters, der das Werk schuf, allein dessen Werth, während der vom Glück begünstigte Augenzeuge, so lange er Wahrheit und Dichtung, trotz ihres innigen Zusammengehens, verständlich von einander zu trenne weiß, in den eigenen Erfahrungen einen freundlich für ihn eintretenden Bundesgenossen besitzt, der schwer zu umgehende Mängel entschuldigt, für ihn um das Wohlwollen der öffentlichen Meinung bittet.
      Gehäuft erscheinen ferner die Schilderungen über den "fernen Westen", weil sie auf einen verhältnißmäßig kurzen Zeitraum zusammengedrängt sind; spärlich aber, unzuverlässig und fast verschwindend treten sie entgegen, sobald die Quelle, aus welcher heute nur noch einige Wenige schöpfen, gänzlich versiegte. Die Prairie selbst und die angrenzenden Wildnisse sind dann allerdings Jedem zugänglich, können von Jedem mittels des "eisernen, Feuer speienden Rosses" durchflogen werden; aber der romantische Schimmer, der jene Regionen bisher schmückte, er ist verschwunden. Nur noch die Namen der verschiedenen Wasserläufe und Haine, der Ansiedelungen und aufspringenden Städte, erinnern durch ihren seltsamen Klang an das, was einst war und von dem die kühnste Phantasie sich kein genaues Bild mehr zu entwerfen vermag.
      Oder sollte es dann anders sein, als heute? Sollte sich das nicht wiederholen, was heute im Osten, wo das indianische Element fast verwischt wurde, noch immer täglich stattfindet?
      Wen es nicht duldet in dem geräuschvollen Gewirre großer Städte; wen es hinaustreibt in die Waldeinsamkeit - sei es auf den Ufern des Delaware, des Hudson oder des Michigan, sei es auf der sumpfreichen Halbinsel von Florida, in der angeschwemmten Louisiana oder weiter nördlich auf den großen Süßwasserseen zwischen den "Hundert Inseln" - um sich daselbst in Betrachtungen zu versenken, welche seinen Neigungen gerade am meisten entsprechen, der belebt im Geiste gewiß gern seine Umgebung mit den romantischen Gestalten, wie ihm solche aus den meisterhaften, unerreichbaren Schilderungen der Zeiten der ersten Ansiedelung und des Unabhängigkeitskrieges vertraut geworden sind. Er läßt die wunderbaren Ereignisse vor sich vorüberrollen; er meint die einzelnen bei denselben betheiligten Persönlichkeiten vor sich zu sehen, hier braun und schwartig, dort weiß und verwittert oder in der Blüte der Kraft, oder endlich geschmückt mit dem holdesten Liebreiz eben erschlossener Jungfräulichkeit. Vor ihm rauscht das Wasser, über ihm lispelt es in den Bäumen, und lebhafter und deutlicher treten die vor seine Phantasie hingezauberten Bilder hervor. Er glaubt Stimmen zu vernehmen, die längst. Längst verhallten. Er lauscht. Der scharfe Knall einer Büchse dringt zu ihm herüber, der regen Phantasie immer neuen Stoff bietend. Er malt weiter und weiter, bis endlich das dumpfe Stöhnen eines vorbeibrausenden Dampfers ihn aus seinen Träumen reißt, ihn daran erinnert, daß nur wenige hundert Schritte von ihm eine Kunststraße den Wald durchschneidet, ein Sonntagsjäger vielleicht mit der Jagd auf graue Eichhörnchen die Zeit tödtet, ein kurzer Spaziergang ihn mitten zwischen dampfende Fabriken und lange Häuserreihen hineinführt. Alles dahin, dahin!
      Ist man nun selbst derartigen Eindrücken unterworfen gewesen, und weiß man von Anderen, daß ihnen Aehnliches begegnete, verdient es da nicht Nachsicht, Verzeihung, wenn man immer und immer wieder auf dem Zaubermantel des Gedankenfluges den fernen Westen besucht, um Bilder und Scenerien, welche sich in späteren Jahren kaum in ihrer unangetasteten Ursprünglichkeit wiederholen dürften, vor gänzlichem Vergessen zu bewahren? Und ist es nicht ein freundlicher Gedanke, daß vielleicht nach funfzig oder hundert Jahren, wenn die Prairie längst ihren romantischen Charakter verlor, der Erzähler wie die von ihm mit Vorliebe geschilderten Persönlichkeiten längst in Staub zerfielen, daß dann also ein zufällig in die Hand gespieltes Blatt am Fuße der Rocky Mountains oder in den Grassteppen zu ähnlichen Betrachtungen führt, wie sie in der Jetztzeit im Osten, auf den alten Schauplätzen wunderbarer Ereignisse wachgerufen werden? Oder sollte man endlich scheu zurückbeben vor dem Tadel einzelner, welcher die Neigungen und Eigenthümlichkeiten derjenigen trifft, denen der Himmel die hohe Gunst erwies, daß er sie in die weite Welt hinausschickte?
      Wie dem Schiffer des Oceans die reine Seeluft fast zum Bedürfniß geworden, so gedenkt der Prairiewanderer mit Enthusiasmus der klaren Atmosphäre, die er drüben auf dem endlosen Grasmeere einathmete; und kann er, durch äußere Verhältnisse bedingt selbst nicht mehr dahin zurückkehren, so steht es ihm doch frei, im Geiste sich auf die Schauplätze seiner jugendfrischen Thätigkeit zu versetzen, Gleichdenkende freundlich einzuladen, an seiner Hand in jene geheimnißvollen Wildnisse einzudringen und überall mit ihm anzukehren, wo einst sein in weiches Hirschleder gekleideter Fuß kaum erkennbare Spuren in die fremde Erde ausprägte.
      Und die wandernden Heerden der Bisons und die langgereckten Karavanen der nomadisirenden Eingeborenen sind es ja nicht allein, woran sich Auge und Herz weiden, sondern auch die Natur in ihrem von den Jahreszeiten abhängigen Wechsel. Doch ob Sommer oder Winter, ob prangend in heiterem Grün, oder starrend in Schnee und Eis, über die Ebenen fort findet jederzeit ihren Weg die Wüstenpost, welche in regelmäßigen Zwischenpausen, östlich und westlich den brieflichen Verkehr zwischen den Vereinigten Staaten und den neu-mexicanischen Territorien vermittelt. Denn auch weit oben am Rio-Grande und an den Abhängen der Rocky Mountains leben Menschen, civilisirte Menschen, die Ackerbau und Viehzucht treiben und nach allen Richtungen hin ihre Handelsverbindungen angeknüpft haben, durch welche sie sogar bis in die abgeschiedensten Winkel der wilden Navahoes und Apaches geführt werden. Aber gerade da, wo sich der Zusammenfluß der verschiedenartigsten Elemente befindet, wie in Santa-Fé, Albuquerque und El-Paso, wo der Franzose, der Deutsche, der Engländer, der Amerikaner und Spanier, wo der Trapper, der Pedlar, die Städte bauenden Abkömmlinge der alten Tolteken, und die nomadisirenden Navahoes, Comanches und Kioways darauf angewiesen sind, nachbarlich bei einander zu hausen, geben die geringfügigsten Ursachen oft Veranlassung zu Ereignissen von den weittragendsten Folgen, die ihrer Abenteuerlichkeit wegen wohl verdienen, aufgezeichnet zu werden. Ist aber das Leben in diesen Pionnierstädten schon ein eigenthümliches, fremdartiges, so gestaltet sich dasselbe zuweilen noch wunderbarer in den Handels- und Emigrantenkaravanen, welche auf ihrem Wege nach Santa-Fé, nach dem Mormonenstaate oder endlich nach Californien Monate hindurch die Prairie als ihre einzige Heimat betrachten. Dieselben sind gewissermaßen wandernde Colonien, in welchen Menschen das Licht der Welt erblicken, andere wieder ihre Augen auf ewig schließen, und nicht selten ein golddurstiger Pfaffe, Advocat oder jede andere beliebige Persönlichkeit, welche die erforderlichen Kenntnisse des Gerichtswesens besitzt, die Hände eines auf der grünen Prairie zusammengeführten Paares zum ewigen Bunde in einander legt.
      Wo nun derartige Erfahrungen und Erinnerungen vorliegen, da reihen sich vor der schaffenden Phantasie die verschiedenen Bilder fast von selbst zu einem abgerundeten Ganzen an einander, und wie in der Wirklichkeit so oft und so wunderbar, spinnen sich auch in der Erzählung die Fäden hinüber und herüber, vom Mittelpunkte europäischer Civilisation bis in die abgeschiedensten Wildnisse hinein und wieder zurück.
      Viele und täglich mehr lernen die große Prairie, die Rocky Mountains und die sich westlich dieses Gebirgszuges ausdehnenden ungastlichen Wüsten aus eigener Anschauung kennen, indem sie dieselben auf dem Schienenwege mit rasender Eile durchstürmen. Sie erzählen dann von einer achttägigen langweiligen Fahrt durch noch langweiligere Ebenen und Bergketten, und ist ihnen das Glück sehr günstig gewesen, so entdeckten sie am fernen Horizonte eine zerstreute Bisonheerde, oder sie wurden auf einer Holzstation von einer Gesellschaft sehr verdächtig aussehender und mistrauisch dareinschauender Indianer empfangen und begrüßt, die nur ungern davon abstanden, höchst rücksichtslos die Feindseligkeiten zu eröffnen und sich der in den Wagen befindlichen Güter zu bemächtigen.
      Auch für die Mitreisenden kann man sich in dem kurzen Zeitraume einer Woche nur wenig erwärmen. Von verschiedenen Neigungen und Zwecken geleitet, hält sich Einer von dem Anderen fern. Die Meisten, sogar wohl Alle kennen nur das einzige Sehnen und Hoffen: ihr Ziel zu erreichen, ohne unterwegs durch einen Büffelcadaver oder muthwillig auf die Bahn gewälzte Steine von den Schienen geschleudert und mit tadelloser Genauigkeit von einem Ohr bis zum anderen skalpirt worden zu sein.
      Ganz anders ist es, wenn man in Gesellschaft treuer Kameraden, gleichviel von welcher Farbe oder Herkunft, die genannten Länderstrecken durchwandert. Wie fühlt sich da Einer zu dem Anderen hingezogen; wie wacht Einer über des Anderen Wohlfahrt, und wie endlich steht einer für den Anderen ein, wenn es gilt, einer Gefahr zu begegnen! Die Stufe der Bildung des Einzelnen mag noch so sehr von der seiner Gefährten abweichen: das Bewußtsein, geraume Zeit Einer nur auf den Anderen angewiesen zu bleiben, öffnet die Herzen schnell. Ob rastend vor dem im Verborgenen geschürten Lagerfeuer, oder dahinreitend unter einer fast senkrecht niederbrennenden Sonne, wo die Herzen einmal geöffnet sind, da fließt die Unterhaltung freier, gestattet jeder dem Gefährten gern einen Blick in die eigene Vergangenheit.
      Solche Genossen, namentlich wenn ergraute Erfahrung ihnen zur Seite steht, tragen immer das charakteristische Gepräge des wilden Westens; unter ihnen braucht man nicht lange nach Gestalten zu suchen, geeignet, die Schilderungen jener Regionen entsprechend zu beleben. Schon allein die alte Anhänglichkeit an sie, gekeimt und erstarkt unter Beschwerden und Gefahren, erweckt die Neigung, sich vorzugsweise gern mit ihnen zu beschäftigen. Es ist mit ihnen , wie mit den einst durchwanderten romantischen Jagdgründen: in der Erinnerung läßt sich das Eine schwer von dem Anderen trennen; Beides schwebt beim Rückblick gleich frisch, gleich lebhaft der Seele vor.



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