Balduin Möllhausens Witwe und die Deutsche Schillerstiftung
von Andreas Graf


Zu ihrem 90. Geburtstag, den sie am 9. Dezember 1920 in ihrer Wohnung in der Courbierstraße 4 in Berlin beging, bekam die Witwe Balduin Möllhausens Post von der Deutschen Schillerstiftung in Weimar. Mit einem kurzen Begleitschreiben, das "der namhaften Verdienste Ihres verstorbenen Mannes" gedachte, wurde ihr eine "einmalige Ehrengabe" von 500 Mark überreicht. Mit einem eigenhändigen Brief, der sich bis heute in den Akten der Schillerstiftung befindet, bedankte sich Caroline Möllhausen für die durchaus willkommene Gabe.
Die Schillerstiftung hatte durch den ‚Schutzverein Deutscher Schriftsteller’ erfahren, dass Möllhausens Witwe "in sehr gedrückten Lebensverhältnissen" lebe. Daraufhin wurde der Generalsekretär der Schillerstiftung, Heinrich Lilienfein, aktiv und befürwortete in einem Gutachten eine solche Ehrengabe "wärmstens", fünf weitere Gutachter stimmten zu. Zwei dieser Gutachter, A. Brausewetter aus Danzig und J. Landau in Berlin, fanden allerdings den Geldbetrag für diesen Zweck zu niedrig, konnten sich aber nicht durchsetzen. Landau schrieb in einem Vermerk: "Einverstanden, auch mit einer höheren Zuwendung. Von den literarischen Columbus=Naturen, die für uns Amerika so recht entdeckt und durchforscht haben, wie Gerstäcker, Ruppius etz., war Balduin Möllhausen die weitaus stärkste Persönlichkeit und dichterische Kraft."
Der bewegende Brief, mit dem die Neunzigjährige sich bedankte, lautet folgendermaßen:

"December 1920 [Eingangsvermerk: 7/12.20]

An die Herrn Bothe und Lienhard!
Vorsitzende der Deutschen Schillerstiftung!
Ich danke den Herren für die mir so gütig gewährte Unterstützung von fünfhundert M.
Wer wie ich das hohe Glück genoßen - seine Jugend in der Sonnennähe eines so großen Gelehrten, Alexanders v. Humboldt, zu verleben, Unter seinen Augen aufzuwachsen – und durch seine Fürsorge – sein Wissen zu bereichern – Wer fünfzig Jahre an der Seite des besten – schaffensfreudigsten Mannes leben durfte – deßen Geschick ist gewiß zu greifen! – Aber Deutschlands Märtyrerschicksal – wie der unverschuldete Verlust meines Vermögens – das wirft tief dunkle Schatten auf das Ende meines Lebens.
Menschengüte aber ist das tröstendste – das leuchtenste
[!] – in dem Grausen dieser Zeit!
Dankbar ergebenst
Carolin Alexandra
Möllhausen
"

Vier Jahre später, am 2. Februar 1924, starb Caroline Möllhausen, die sich aus Zuneigung für Alexander von Humboldt – ihren möglichen Vater – Zeit ihres Lebens "Alexandra" nannte. Ob sie freilich im Jahr 1920 tatsächlich ihren 90. Geburtstag gefeiert hatte, oder vielleicht doch erst ihren 88. oder 86., ist bislang ungeklärt. Das Berliner Kirchenbuch ist eindeutig: es weist den 9. Dezember 1830 als Geburtstag aus. In der Familie scheint jedoch das Jahr 1832 als Geburtsjahr gegolten zu haben, jedenfalls vermeldet ihr Grabstein auf dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm bis auf den heutigen Tag den 9. Dezember 1832 als Geburtsdatum – und das entsprechende Friedhofsregister gibt bei gleichem Tag sogar das Jahr 1834 als Geburtsjahr an.



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